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Eines Tages geht der Rabbi

Eines Tages geht der Rabbi

Titel: Eines Tages geht der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Kochnische, kramte in einem großen Korb herum und holte die Zeitung heraus. Er überflog die Seiten rasch, aber gründlich. «Da ist er. Sieht doch genau aus wie der Typ auf dem Foto, oder?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Nein, Schatz, tut mir leid, aber das kann ich nicht finden. Der auf dem Foto hat keinen Schnurrbart.»
    «Dagegen kann man was tun. Schau her.» Er deckte die untere Gesichtshälfte mit einem Fingernagel ab. «Schau dir die Augen an, die Stirn, das Haar.»
    «Na ja, vielleicht …»
    «Ein Schnurrbart ist schnell gemacht», überlegte er, den Blick zur Decke gerichtet, mit seinen Gedanken weit weg.
    «Und was hättest du davon?»
    Er lächelte. «Könnte sich rentieren, Baby.»
    «Das kapier ich nicht.»
    Er feixte. «Springen vielleicht ein paar Mäuse bei raus.»
    «Aber wie denn?»
    «Es gibt da vielleicht einen Dreh … Ich muß mir das mal durch den Kopf gehen lassen, Baby.»

10
    «Haben Sie mal einen Augenblick Zeit für mich, David?» erkundigte sich Morton Brooks, der Leiter der Religionsschule.
    «Ja, natürlich.»
    «Bin gleich da.»
    Der Rabbi legte den Hörer auf und staunte über Mortons ungewohnte Rücksichtnahme. Brooks pflegte sonst nicht zu fragen, ob der Rabbi frei war, sondern klopfte, auch wenn die Tür zum Arbeitszimmer geschlossen war, nur ganz kurz an und platzte dann ohne weiteres herein. Wenige Minuten später – er hatte sein Büro unten im Vestibül, das Arbeitszimmer des Rabbi war eine Etage höher – trat Morton Brooks ein und ließ sich auf den Besucherstuhl vor dem Schreibtisch des Rabbi fallen.
    Er trug einen gedeckten grauen Anzug, blaues Hemd, schwarze Strickkrawatte und an den Füßen, die er weit von sich gestreckt hatte, spiegelblank gewienerte schwarze Schuhe. Sein Aufzug unterschied sich sehr wesentlich von seiner üblichen Kleidung. Mortons Vorliebe für auffällig gemusterte Tweedsakkos und farbenfreudige Halstücher war dem Rabbi wohlbekannt.
    Er hob die Augenbrauen. «Waren Sie zu einer Beerdigung, Morton? Oder haben Sie sich um eine Rolle beworben?»
    «Leider nein, im Showgeschäft sieht’s zur Zeit trübe aus.» Erst dann begriff er die Frage. «Ach, Sie meinen wegen der Spießerklamotten? Die sind für den neuen Präsidenten.»
    «Soll das heißen, daß Howard Magnuson Ihnen nahegelegt hat, sich dezenter zu kleiden? Sich von Ihrer gewohnten Kluft zu trennen?»
    «Wenn sie einem das nahelegen, David, ist es schon zu spät, dann ist es eine Kritik. Dann geben sie einem zu verstehen, daß man was gemacht hat, was – nein, vielleicht nicht falsch ist, aber auch nicht richtig. Diese Wirtschaftsbosse sind eine Sorte für sich, David. Die können sich kleiden, wie sie wollen, können sogar im Overall ins Büro kommen, aber die Muschiks, die kleinen Leute, die müssen immer tipptopp in Schale sein. Vielleicht würde er nichts sagen, aber denken würde er sich: Der paßt nicht in die Mannschaft.»
    Um die Lippen des Rabbi zuckte es. «Und Sie wollten mal nachsehen, ob ich tipptopp in Schale bin?»
    Brooks betrachtete ihn mit gönnerhafter Anteilnahme. «Sie werden nie tipptopp in Schale sein, David. Weil Sie kein Gefühl für Kleidung haben. Darum. Ich glaube, das liegt nicht so sehr an dem, was Sie tragen, sondern wie Sie’s tragen.» Mit einer Handbewegung schob er die Garderobenprobleme des Rabbi beiseite. «Nein, ich wollte Sie bitten, sich das hier mal anzusehen, David, und mir zu sagen, was Sie davon halten.»
    Der Rabbi nahm ihm das Blatt ab, das Morton Brooks ihm reichte. Die Überschrift lautete PFLICHTEN UND AUFGABEN DES LEITERS DER RELIGIONSSCHULE. Der Text war mit der Maschine geschrieben und ging über die ganze Seite. Der Rabbi las und nickte gelegentlich. «… verantwortlich für die Ausarbeitung der Lehrpläne für die einzelnen Klassen … Empfehlungen für den Schulausschuß … Haushalt … berät sich mit dem Rabbi über alle Führungsfragen … Einstellung von Lehrkräften … Gespräche mit Eltern …»
    «Recht gut», sagte der Rabbi, als er fertig war. «Allerdings habe ich den Eindruck, daß Sie vieles hineingeschrieben haben, was der erste Satz über die allgemeine Leitung der Schule schon impliziert.»
    «Je mehr man bei solchen Sachen reinschreibt, desto besser, David. Das wertet den Job auf.»
    «Ja, dann könnten Sie vielleicht noch hineinnehmen, daß Sie nach Absprache mit dem Kantor Förderkurse für die Jungen einrichten, die sich auf die Bar Mitzwa vorbereiten.»
    «Gute Idee.» Er machte sich mit Bleistift eine Notiz am

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