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Eines Tages geht der Rabbi

Eines Tages geht der Rabbi

Titel: Eines Tages geht der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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haben da eine Menge Anfragen vorliegen. Später müssen Sie in den großen Geschäften Werbematerial verteilen. Vielleicht macht Ihnen das nachher sogar Spaß.»
    Sie musterte ihn kritisch. «Eins müssen wir möglichst bald festlegen. Nennen wir Sie John oder Jack?»
    «Wo liegt da der Unterschied?»
    «Jack ist ein ganz anderer Typ als John. Er zieht sich anders an, und er redet anders. Machen wir mal die Probe aufs Exempel.» Sie verwandelte sich in den Leiter einer Wahlversammlung und ging ans andere Ende des Zimmers. «Der Redner ist bereit, Fragen aus dem Publikum zu beantworten. Ja, der Herr dort in der Ecke. Sie haben eine Frage? Würden Sie sich bitte vorstellen …»
    Er amüsierte sich über das Rollenspiel. «Mein Name ist John Scofield, und ich möchte fragen–»
    «Hm … Nein. Jetzt die andere Version. Der Herr dort in der Ecke. Würden Sie sich bitte vorstellen?»
    Noch immer belustigt sagte er: «Ich bin Jack Scofield und kandidiere im Bezirk Essex für den Senat …»
    «Klingt entschieden besser», unterbrach sie ihn. «Von jetzt ab sind Sie Jack Scofield. John wirkt einfach zu spießig. Dieser Schlips und dieser Anzug …»
    «Was stört Sie daran?»
    «Sehr passend für eine Beerdigung, aber …»
    «Ich war heute auf dem Gericht, Richter Levitt ist ein sehr konservativer Typ.»
    «Na schön, im Gerichtssaal können Sie ja weiter John Scofield sein, aber überall sonst sind Sie Jack und ziehen sich entsprechend an. Ein bißchen salopper.»
    «Jeans?»
    «Aber nein. Vergessen Sie nicht, daß Sie die konservative Linie vertreten. ‹Unser Motto: Bewährtes bewahren.› Ich schlage graue Flanellhosen und Tweedsakko vor. Und ein Hemd mit Buttondown-Kragen.»
    «Einverstanden.» Er war jetzt offenbar ganz bei der Sache. «Das sollten wir heute abend gleich ausprobieren», befand Laura. «Im Rathaus ist ein Hearing über die Eintragungen in die Wählerlisten. Sie möchten den Schlußtermin um zwei Wochen vorverlegen. Ich bin dafür, daß wir Einspruch erheben. Vermutlich werden nicht viele kommen, höchstens zwei Dutzend, aber es ist eine gute Übung. Fahren Sie heim und ziehen Sie sich um, wir treffen uns dann dort.»
    «Wann fängt die Sache an?»
    «Um acht.»
    «Dann könnten wir doch vorher zusammen essen.»
    «Ich bin zum Abendessen verabredet», schwindelte sie rasch. Er sollte ruhig merken, daß sie nicht so leicht zu haben war. Als er ein langes Gesicht zog, gab sie nach. «Wir können ja hinterher noch irgendwo was trinken.»
    Bei dem Hearing bekam er tatsächlich eine Chance, sein Sprüchlein aufzusagen. «Ich bin Jack Scofield und kandidiere in diesem Bezirk für den Senat, deshalb liegt mir das Thema dieser Veranstaltung besonders am Herzen. Ich möchte darauf hinweisen, daß –»
    Er hatte seine Sache gut gemacht, fand Laura. Leider waren auch Kandidaten für andere Ämter da, die ihn in der Diskussion angriffen, und dabei mußte er einige Federn lassen.
    Als sie sich danach auf einen Kaffee zusammensetzten, sagte er: «Heute abend habe ich nicht so gut ausgesehen, was?»
    «Die anderen waren vorbereitet, Sie nicht.»
    «Mit anderen Worten – ich bin ein Trottel», sagte er bitter.
    «Unsinn. Aber Sie dürfen sich nicht darauf verlassen, daß Ihnen im kritischen Augenblick schon das Richtige einfallen wird – und dazu neigen Sie ein bißchen. Sie brauchen gut durchdachte Stellungnahmen zu allen wichtigen Wahlthemen. Ich bereite Ihnen gleich morgen früh was vor.»
    Er sah sie mit unverhohlener Bewunderung an. «So was wie Sie gibt’s wirklich nicht noch mal, Laura.»

17
    Der Rabbi legte den Hörer auf, und da Miriam ihn fragend ansah, sagte er: «Das war unser Präsident, Mr. Magnuson.»
    «Was wollte er denn?»
    «Er hat mich gebeten, am Sonntag nicht zur Vorstandssitzung zu kommen. Nett, daß er früh genug angerufen hat. Wenn ich will, kann ich mir also für den Sonntagvormittag etwas anderes vornehmen.»
    «Hat er gesagt, weshalb er dich nicht dabei haben will?»
    «Nein. Aber wahrscheinlich will er etwas besprechen, was ich nicht hören soll.»
    «Du meinst – er will über dich sprechen?»
    «Kann schon sein.» Er setzte sich wieder und griff nach seinem Buch.
    Aber Miriam ließ der Anruf keine Ruhe. «Kommst du gut mit ihm zurecht, David?»
    «Mit Magnuson? Eigentlich schon. Ich bin wenig mit ihm zusammen. Länger hat er eigentlich nur damals mit mir gesprochen, als er in mein Büro gekommen ist. Da wollte er wissen, warum ich nicht zu den Vorstandssitzungen erscheine.

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