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Eines Tages geht der Rabbi

Eines Tages geht der Rabbi

Titel: Eines Tages geht der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Danach habe ich ihn bei den Vorstandssitzungen gesehen, aber sonst nicht.»
    «Ist bei diesen Sitzungen irgendwas Besonderes passiert? Was dich betrifft, meine ich.»
    «Nichts Außergewöhnliches, soweit ich mich erinnere. Warum?»
    Miriam ließ nicht locker. «Hast du vielleicht in der Diskussion mal gegen Magnuson Partei ergriffen?»
    «Ich habe mich an der Diskussion gar nicht beteiligt. Richtig, einmal habe ich gesagt, die Vorstandsmitglieder müßten eigentlich alle zum Freitagabendgottesdienst kommen, aber –»
    «Das ist es», erklärte sie entschieden.
    «Wie meinst du das?»
    «Howard Magnuson hat das als persönliche Kritik aufgefaßt, weil er am Freitagabend nie zum Gottesdienst kommt.»
    «Und auch sonst nicht …»
    «Eben», sagte sie triumphierend. «Er hatte das Gefühl, von dir kritisiert zu werden.»
    «In dieser Hinsicht hatte er damit wohl recht, aber –»
    «Du hast es offenbar immer noch nicht begriffen, David. Einen Howard Magnuson kritisiert man nicht. Gewiß, du schon, aber … Ich will damit sagen, daß Typen wie Magnuson nicht gewöhnt sind, von Leuten kritisiert zu werden, die sie als ihre Untergebenen betrachten. Du hast dir diese Freiheit genommen – wahrscheinlich nicht nur dieses eine Mal –, und dagegen will er jetzt etwas tun.»
    «Was kann er schon dagegen tun? Meinst du, er legt dem Vorstand eine Entschließung vor, daß der Rabbi nie etwas sagen darf, was eine Kritik an seinem Präsidenten darstellt?»
    «Du hast gut lachen, David. Aber ich mache mir ernstliche Sorgen. Ich brauche dir nicht zu sagen, daß du hier nicht auf Lebenszeit angestellt bist, sondern daß der Vertrag jedes Jahr verlängert werden muß.»
    «Das entspricht meinem Wunsch. Damit bleibt die Gemeinde frei in ihrer Entscheidung, aber dasselbe gilt auch für mich.»
    «Und was ist, wenn sie den Vertrag nicht verlängern?»
    Er zuckte die Schultern. «Dann sehe ich mich nach einer anderen Stellung um. Und nach dem, was man so hört, kann ich mich dabei nur verbessern. Eine größere Synagoge in einer größeren Stadt vielleicht, oder eine Großstadtgemeinde mit verständnisvolleren Mitgliedern. Die Reaktion auf meinen Artikel im Quarterly war recht schmeichelhaft, ich bekomme noch immer Zuschriften.»
    «Warum machst du dir dann nicht ernstlich Gedanken über einen Stellungswechsel? Du könntest dich schon immer umsehen …»
    «Erstens, weil es mir hier in Barnard’s Crossing gefällt. Und zweitens, weil ich das Gefühl habe, hier gebraucht zu werden. Es ist nicht einfach, und es gibt häufig Streit. Ständig will mich die eine oder andere Clique unter Druck setzen. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Tradition aufrechtzuerhalten. An einem anderen Ort, in einer älteren, etablierteren Gemeinde, wäre das Leben leichter, aber weniger befriedigend.»
    Das war am Mittwochabend gewesen. Miriam brachte das Thema zwar nicht noch einmal zur Sprache, aber an den Fragen, die sie stellte, merkte der Rabbi, daß es sie noch beschäftigte. War Kaplan beim Minjan gewesen? Hatte er was gesagt? Morton Brooks wußte doch meist, was sich tat, hatte er etwas erwähnt? Schließlich fragte er sie geradeheraus, was sie quälte.
    «Quälen ist nicht das richtige Wort. Oder – ja, vielleicht doch. Ich glaube schon, daß du notfalls eine andere Stellung bekommen könntest. Mir gefällt es auch hier, und es wäre mir lieber, wenn es nicht sein müßte. Aber wenn du Ärger mit dem Präsidenten hast …»
    «Es ist doch nicht das erste Mal, daß ich Ärger mit dem Präsidenten habe, wie du es ausdrückst. Auseinandersetzungen hat es mit fast allen mal gegeben.»
    «Aber Magnuson ist aus anderem Holz geschnitzt, David. Bei den anderen hast du gewußt, woran du bist. Es ging immer um irgendeine Grundsatzfrage, und du hattest recht und sie unrecht. Bei Auseinandersetzungen hat die Gemeinde immer zu dir gehalten. Du hast ihnen immer klarmachen können, daß es gegen unsere Tradition war und warum du dich dagegen sperren mußtest. Die anderen Vorsitzenden haben sich Gedanken über die Synagoge und über unsere Religion gemacht, David. Sie waren Juden …»
    «Und das ist Magnuson nicht?»
    «Doch, natürlich ist er das, aber die Synagoge ist ihm schnuppe. Für ihn ist sie ein Unternehmen, das er leiten will. Und es kann sein, daß er dich raushaben will, weil – weil du ihm dabei im Wege stehst. Und wenn er dich raushaben will, kriegt er dich raus, auch ohne unmittelbaren Anlaß. Er braucht nur den Vorstand dazu zu bringen, daß er

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