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Eines Tages geht der Rabbi

Eines Tages geht der Rabbi

Titel: Eines Tages geht der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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hin.
    «Danke, Baby. Ich hab einen unheimlichen Hunger.» Er breitete seine Papierserviette aus, griff nach der Flasche mit dem Ahornsirup und goß ihn freigebig über seinen Toast. «Wann bist du gestern abend gekommen?»
    «Nach zwei. Du weißt ja, Samstag abend …»
    «Viel los, was?»
    «Kann man wohl sagen. Die haben mich ganz verrückt gemacht. Du, ich hab diesen Typ gesehen. Zusammen mit zwei anderen …»
    «Welchen Typ, Baby?»
    «Der in der Zeitung war, du weißt schon. Du hattest ein Foto von ’ner Gangstergruppe bei einem Bankett, und von einem war ein Bild in der Zeitung, und du hast gesagt, er hat für irgendwas kandidiert.»
    «Baggio? Tommy Baggio?»
    «Stimmt, Tommy haben sie ihn genannt.»
    «Bist du sicher, daß er es war?»
    «Ganz sicher. Er hat genauso ausgesehen wie in der Zeitung.»
    «Hast du sonst noch einen erkannt?»
    «Einer hatte rote Haare, den haben sie mit Mike angeredet, der kommt öfter mal zu uns, aber den anderen kannte ich nicht.»
    «Schielt er ein bißchen, der mit den roten Haaren? Dann ist es Mike Springer, Baggios Wahlkampfmanager. Hast du zufällig aufgeschnappt, was so geredet worden ist?» fragte er beiläufig.
    «Sie haben sehr leise gesprochen, fast geflüstert. Und wenn ich ihnen die Gläser gebracht habe oder neue Salzbrezeln oder so, haben sie aufgehört zu reden. Aber als sie schon ein bißchen angegangen waren, haben sie sich nicht mehr so vorgesehen, und einmal hab ich gehört, wie der Rotfuchs fragt: ‹Und woher haben sie das Bild?› Und Baggio sagt: ‹Und ich sage dir, da will mir einer was anhängen. Ich war überhaupt nicht da, das kann ich beschwören.›»
    «Mehr hast du nicht mitgekriegt?»
    «Ich sag doch, es war schwer was los gestern abend. Ständig mußte ich zur Theke. Ich hatte alle Nischen auf der linken Seite und drei Tische, die haben mich ganz schön auf Trab gehalten. Ich hab nur noch Bruchstücke aufgeschnappt, es ging um irgendeinen Wahlausschuß. Und einmal hab ich gehört, wie dieser Baggio sagte, er wird mit seinem Schwager mal Fraktur reden. Was meinst du, ob der ihm was anhängen wollte? Der Schwager?»
    Tony hob die Schultern wie einer, der völlig im dunkeln tappt. «Bei den Politikern in Revere kann man das nie wissen. Die würden ihrer eigenen Mutter die Ehre abschneiden.»
    Ihr kam ein neuer Gedanke. «Du hast doch damit nichts zu tun gehabt, Tony?»
    «Ich? Wie kommst du denn darauf?»
    «Na ja, weil du doch dieses Foto geschossen hast, und sie haben über ein Bild gesprochen.»
    Tonys Gesicht verhärtete sich. «Hör mal zu, Baby. Vergiß, daß ich dir dieses Foto gezeigt habe, klar?»
    «Klar, du kennst mich doch, aber –»
    «Ohne Wenn und Aber. Vergiß, daß du es je gesehen hast.» Er lächelte. «Weißt du, dieses Foto haben bestimmt fünf oder zehn Leute geschossen. Ich wette, daß zehn bis zwanzig Leute ihre Kameras dabei hatten. Es war, wie gesagt, ’ne reine Herrengesellschaft, und wir hatten was von ’ner Vorstellung läuten hören. Alle hatten Weiber erwartet, und als sich herausstellte, daß es damit nichts war, haben sie einfach draufgehalten und abgedrückt. Kann doch sein, daß einer versucht hat, Baggio unter Druck zu setzen. Oder daß er mit dem Bild zu jemandem gegangen ist, der Baggio nicht mag, weil er sich davon einen Vorteil verspricht.»
    «Aber du würdest so was doch nicht tun, Tony, oder?»
    «Ich? In ’nem Kaff wie Revere mach ich doch keinen Finger krumm.»
    «Weißt du; wenn man in einem Nachtklub arbeitet, hört man so allerlei. Und ich hab keine Lust, meine ganze Freizeit dranzuhängen, um einen zu pflegen, der sich beide Beine gebrochen hat.»
    Er breitete – ganz die harmlos-ehrliche Haut – die Arme aus. «Komm, Baby. Du hast mitgekriegt, wie sie über ein Foto geredet haben. Vielleicht war’s ’ne Aufnahme in ’nem Motel, mit ’nem Flittchen, das nicht seine Frau war. Was geht’s uns an? So, und jetzt gieß mir noch ’ne Tasse Kaffee ein und schlag dir die ganze Geschichte aus dem Kopf.»

20
    «Kann ich den Wagen haben, Dad?»
    Der Rabbi sah seinen Sohn überrascht an. «Am Montagabend?»
    «Er will zu Alice», ließ sich Hepsibah vernehmen. «Sie hat ihn vorhin angerufen.»
    «Ma?» Jonathans Protest verriet langes brüderliches Leiden.
    «Wie oft soll ich es dir noch sagen, Hepsibah?» Miriam seufzte.
    «Es ist keine Verabredung», erläuterte Jonathan. «Es ist so was wie eine Hausaufgabe. Für Staatsbürgerkunde.»
    «Eine Hausaufgabe?» wiederholte der Rabbi

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