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Eines Tages geht der Rabbi

Eines Tages geht der Rabbi

Titel: Eines Tages geht der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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fünf oder sechs Jahren über das Geld verfügt, meint sie, daß sie moralisch dazu verpflichtet ist.»
    «Ich weiß ja nicht, wieviel Ihre Tochter schon verbraucht hat, aber vermutlich würde es Ihnen nicht schwerfallen, das Geld zu ersetzen.»
    «Darum geht es nicht. Laura ist von der Idee nicht abzubringen.»
    «Verstehe. In Reformsynagogen gibt es manchmal Rabbis, die sich bereit finden, zusammen mit einem protestantischen oder katholischen Pfarrer eine sogenannte ökumenische Trauung vorzunehmen. Von konservativen Rabbis habe ich das noch nicht gehört. Und von orthodoxen natürlich schon gar nicht.»
    «Und Rabbi Small ist natürlich konservativ», sagte Magnuson.
    «Mit orthodoxen Tendenzen», ergänzte Halperin.
    «Die Trauung brauchte nicht in der Synagoge stattzufinden.»
    Halperin schüttelte den Kopf. «Das würde für Rabbi Small nichts ändern, er macht bestimmt nicht mit.»
    «Aber verflixt noch mal, so was kommt doch bestimmt hin und wieder vor.»
    «Freilich. Heutzutage ist es eigentlich sogar die Regel. Mein eigener Neffe –»
    «– hat eine Nichtjüdin geheiratet?»
    «Ja. Es war eine standesamtliche Trauung, das war natürlich unproblematisch. Aber meiner Familie war es trotzdem nicht recht. Dann war da Ben Josephs Nichte, und Marty Slobodkins Schwester, und Ira Lamports Bruder und … Ich wette, in unserem Vorstand gibt es keine Familie, in der es nicht irgendwann mal zu einer Mischehe gekommen ist. Bruder, Schwester, Neffe, Nichte, Cousine. Ich hab mal gehört, daß inzwischen schon jede zweite Ehe eine Mischehe ist.»
    «Und was haben die alle gemacht?»
    «Das ist verschieden. Manchmal konvertiert der christliche, manchmal der jüdische Partner. Manche konvertieren auch nicht richtig, sondern lassen sich nur in einer christlichen Kirche trauen, von einem protestantischen oder katholischen Geistlichen. Soviel ich weiß, ist das bei den Katholiken inzwischen auch schon lockerer geworden. Früher haben sie eine schriftliche Erklärung verlangt, daß die Kinder katholisch erzogen werden. Ich glaube, das ist heute nicht mehr üblich, jedenfalls nicht mehr in schriftlicher Form. Die meisten lassen sich nur standesamtlich trauen. Ich glaube, in New Hampshire gibt es einen Rabbi, der auf diese Masche reist und eine Menge Geld damit macht. Er fährt in ganz Neuengland herum.»
    «Vielleicht sollte ich den mal ansprechen», überlegte Magnuson.
    «Ich kann Ihnen Namen und Adresse besorgen.»
    «Gut. Aber natürlich muß ich anstandshalber mit Rabbi Small reden.»
    «Natürlich.»
    «Ich werde ihm die Situation erklären und ihn bitten, die Trauung vorzunehmen.»
    «Er wird Ihnen einen Korb geben.»
    «Dann werde ich ihm sagen, daß ich mich anderweitig umsehen muß.»
    «Das wird ihm nicht schmecken», sagte Halperin.
    «Mir schmeckt es ja auch nicht. Ganz und gar nicht. Wenn ich ehrlich bin – ich bin nicht begeistert, daß meine Tochter John Scofield heiraten will. Und ich bin nicht begeistert, daß sie sich unbedingt von einem Rabbi trauen lassen will, wenn es auch ein Friedensrichter oder Standesbeamter täte. Und auch die jesuitische Haarspalterei meiner Tochter in dieser Frage schmeckt mir nicht. Als sich meine Schwiegermutter von ihr versprechen ließ, daß sie sich von einem Rabbi trauen lassen würde, hat sie damit natürlich gemeint, Laura sollte einen Juden heiraten, einen geborenen oder zumindest konvertierten Juden. Aber im Laufe meines Lebens ist mir schon vieles untergekommen, was mir nicht schmeckte und was ich trotzdem schlucken mußte.»
    «Ja, aber der Rabbi kann sich auf den Standpunkt stellen, daß er es nicht zu schlucken braucht.»
    «Was kann er machen?»
    «Ich weiß nicht. Aber ablehnen kann er immer.»

32
    Paul Kramer kam am Montagvormittag in Salem vor den Haftrichter. Sergeant Dunstable war anwesend, weil er die Verhaftung vorgenommen und weil er ihn von Barnard’s Crossing nach Salem gebracht hatte. Charlie Venturo, der stellvertretende District Attorney, beantragte eine hohe Kaution mit der Begründung, daß es sich um eine schwere Straftat, ein Tötungsdelikt, handle. John Scofield, als Anwalt des Beschuldigten, hielt dagegen, Paul sei nicht vorbestraft und Student, so daß kein Grund zu der Annahme bestünde, er würde zu seinem Prozeß nicht erscheinen.
    Der Richter nickte und wandte sich an Paul. «Ich setze als Termin für die Verhandlung den 20. November fest. Ich setze Sie bis zum Prozeßbeginn auf freien Fuß. Der Verhandlungstermin wird Ihnen noch schriftlich

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