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Eines Tages geht der Rabbi

Eines Tages geht der Rabbi

Titel: Eines Tages geht der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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zu glauben», warf Lanigan halblaut ein.
    «Ja, und da hab ich ihn gefragt, ob ich vielleicht zu ihm kommen kann, wir könnten doch zusammen lernen. Er hat mir erzählt, daß seine Eltern an dem Morgen zu einer Fahrt ins Blaue weggefahren sind und er allein ist, und damit ging das natürlich in Ordnung.»
    «Hat er Ihnen vorgeschlagen, die Nacht bei ihm zu verbringen?»
    «Ach wo. Er ist ja noch unheimlich jung, neunzehn vielleicht.»
    «Und Sie?»
    «Ich bin zweiundzwanzig.»
    «Die Idee, die Nacht mit ihm zu verbringen, ging also von Ihnen aus?»
    «Na ja, so könnte man das wohl sagen. Geplant habe ich es nicht, es hat sich einfach so ergeben. Meiner Mutter hab ich nicht gesagt, daß ich zu ihm gehe, die hätte bloß alles mögliche gefragt, wer noch da ist und wann ich nach Hause komme und so. Ich hab ihr gesagt, daß ich zu Beth gehe. Und als ich da war, hab ich Beth angerufen und sie gebeten, mir Rückendeckung zu geben.»
    «Und wie sollte sie das machen?»
    «Na ja, wenn meine Mutter sich meldete, sollte Beth sagen, daß ich auf dem Klo bin oder mal eben vor die Tür gegangen bin und daß ich zurückrufen würde. Dann sollte sie mir bei Paul Bescheid sagen – die Nummer hab ich ihr gegeben –, und ich würde zurückrufen.»
    «Und hat sie angerufen?»
    «Nein. Gegen zehn hab ich dann selber meine Mutter angerufen und hab ihr gesagt, daß ich bei Beth übernachte und von da ins College fahre.»
    «Hrn. Das war also gegen zehn?»
    «So ungefähr. Paul wollte gerade den Fernseher anmachen, wegen der Zehn-Uhr-Nachrichten.» Sie runzelte angestrengt überlegend die Stirn. «Ja, es muß kurz vor zehn gewesen sein; als ich vom Telefon kam, fingen die Nachrichten gerade an. Inzwischen war mir klar, daß es ein Haufen Arbeit war und wir bis nach Mitternacht zu tun haben würden. Er hat von allen Büchern eine Inhaltsangabe gemacht, und ich hab mitgeschrieben. Er kannte sie alle. Enorm.»
    «Und wann waren Sie fertig?»
    «So gegen eins.»
    Lanigan lehnte sich wieder zurück und musterte sie. Dann sagte er: «Und als Sie fertig waren, haben Sie ihm als Gegenleistung angeboten, mit ihm ins Bett zu gehen. Oder war das von vornherein so abgemacht?»
    «Quatsch», sagte sie ärgerlich. «Wir sind zusammen ins Bett gegangen. Punkt. Nicht als Gegenleistung, sondern weil er nett war. Natürlich ist er noch unheimlich jung, aber er sieht gut aus und ist – na, eben nett.»
    «Hm. Und am nächsten Morgen …»
    «– sind wir aufgestanden, und im Kühlschrank war noch Orangensaft, und er hat Kaffee und Toast gemacht, und dann sind wir zur Uni gefahren.»
    «In seinem Wagen?»
    «Genau.»
    «War der Wagen abgeschlossen?»
    Wieder runzelte sie die Stirn, während sie versuchte, sich zu erinnern. «Ja. Ich bin nämlich auf die Beifahrerseite gegangen und hab gewartet, bis er drin saß und von innen die Tür aufgemacht hat. Dann hat er das Schloß abgemacht, das er am Lenkrad hat, und wir sind losgefahren.»
    «Soso. Und was hat Sie veranlaßt, heute zu mir zu kommen?»
    Sie sah ihn überrascht an. «Als ich davon gehört hab, mußte ich natürlich herkommen und es sagen.»
    «Hat er Sie darum gebeten?»
    «Aber nein. Er wollte es nicht. Es war ihm richtig unangenehm, als ich ihm gesagt hab, daß ich zur Polizei gehe. Er ist eben noch unheimlich jung.»
    Chief Lanigan überlegte. Was hatte er erfahren? Eine Geschichte, die Fran Kimball zusammen mit Paul Kramer ausgeheckt haben konnte. Sie waren Kommilitonen und nach ihrer eigenen Aussage ein Liebespaar.
    Lanigan ging zu dem Stadtplan hinüber, der an der Wand hing und deutete auf einen Punkt. «Hier ist die Elm Street. Sie wohnen ungefähr hier, wenn ich mich recht erinnere.»
    «Ja, Ecke Laurel Street.»
    «Und wann haben Sie das Haus verlassen?»
    «Gegen acht.»
    «Und Sie sind zu Fuß die Laurel Street bis zur Maple Street gegangen –»
    «Nein. Ich bin die Elm Street bis zur Main Street gegangen und dann die Main Street rauf bis zur Maple Street.»
    «Wozu dieser Umweg? Sie hätten doch Kramers Haus direkt über die Laurel erreichen können.»
    Sie warf, gereizt über seine Begriffsstutzigkeit, die Lippen auf. «Beth wohnt in Gathskille Circle, also mußte ich in diese Richtung gehen. Klar?»
    «Hm. Haben Sie irgendwelche Bekannten getroffen, haben Sie mit jemandem gesprochen?»
    Sie überlegte einen Augenblick, dann schüttelte sie so energisch den Kopf, daß die Ohrringe klapperten. «Nein.»
    Lanigan nickte. «Dann wußte niemand, daß Sie an dem Abend bei Kramer

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