Einfach bezaubernd
»Meine Mom hat gehört, dass Lizzie mit Charles Conway verlobt ist.«
»Das ist vorbei«, erwiderte Mare um ihr Eis herum. »Der ist fort, nach Alaska. Aber sie hat einen Neuen, und ich glaube, der ist haltbarer.«
»Na ja, wenn die beiden heiraten, dann kannst du das auch«, meinte Crash, die Stimme der Vernunft.
»Sie werden nicht heiraten.« Mare seufzte. »Erzähl mir doch noch ein bisschen über den Motorradladen.«
Sie saßen im Mondlicht und aßen ihre Eiscreme auf, während er von seinem Geschäft, den Motorrädern und seinem Partner Leo, Leos Frau Amelie und ihrem Baby erzählte und von dem kleinen Haus, das er dort besaß … »Hat es ein rotes Ziegeldach?«, fragte sie, und als er »Ja« antwortete, machte sie »Oh«, und er wusste nicht, ob sie das gut oder schlecht fand. Und er erzählte von der Sonne und der Wärme und den tausend Dingen, die er dort liebte. Und als er geendet hatte, hielten sie ihre Becher Py hin, damit er sie auslecken konnte, und saßen dann schweigend im Mondlicht. Das Dach unter ihnen bebte, als würde dort Musik gespielt, irgendetwas mit einem starken Bass, aber es war still da unten, nur dieses lautlose Pulsieren und gelegentliche kleine violette Rauchwölkchen um die Fenster, von denen Mare behauptete, sie kämen vom Fluss her, aber das machte keinen Sinn. Crash war es egal, nur dass es ihm bei dem starken Pulsieren schwerfiel, sich auf Italien zu konzentrieren, und es ihm fast unmöglich wurde, Mare nicht zu berühren.
»Was sind denn deine anderen Alternativen?«, fragte Crash, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten.
»Hmmm? Ach so. New York. Jude hat mir einen Job in New York angeboten.«
»Aha.« Er wechselte seine Sitzhaltung. »Jude ist der Typ im Anzug, der heute im Videoladen war, oder?«
»Tja.«
»New York könnte dir gefallen«, meinte er in einem Versuch, fair zu sein.
»New York würde mir wahnsinnig gefallen«, erwiderte Mare. »Aber dorthin kann ich auch nicht gehen.«
Du bist dreiundzwanzig , wollte er sagen, du kannst überallhin gehen, wohin du willst . Aber er wollte sie in der Toskana haben, nicht in New York, deswegen sagte er es nicht. Stattdessen fragte er: »Und die dritte Alternative, die dir niemand angeboten hat?«
»Meine Tante Xan«, erwiderte Mare. »Die Schwester meiner Mutter. Ich würde gern ein paar Dinge von ihr lernen. Das Problem ist nur, ich weiß nicht, wo sie ist, und Dee hasst sie, deswegen kann ich nicht nach ihr suchen.«
»Vielleicht würde es deiner Tante auch in Italien gefallen.«
Mare wandte sich ihm in der Dunkelheit zu. »Willst du damit sagen, du würdest für mich und für meine Tante sorgen?«
Crash seufzte. »Nein. Ich versuche nur, einen Weg zu finden, wie ich das alles hinkriege.«
Mare schüttelte den Kopf. »Crash, du kennst mich nicht. Überhaupt nicht. Du meinst, du kennst mich, weil du mich vor fünf Jahren ein bisschen kanntest, aber …«
»Ich weiß, es gibt da Geheimnisse. Diese verdammten Geheimnisse sind mir damals ziemlich auf die Nerven gegangen; immer ausgeschlossen zu werden; sich wie ein Trottel zu fühlen, dem du gepfiffen hast, wenn du deinen Spaß haben wolltest, und den du dann wieder nach Hause geschickt hast.« Er brach ab, denn er fühlte wieder die Wut in sich aufsteigen, diese Wut, die ihn fünf Jahre lang von Salem’s Fork ferngehalten
hatte; dieses »Wenn ich nicht gut genug dafür bin, um ins Haus kommen zu dürfen, dann zum Teufel mit dir« – ein Gefühl, das viel mehr mit Schmerz als mit Ärger zu tun hatte, wie er jetzt wusste, aber das machte es auch nicht um ein verdammtes Jota besser. »Was ich dir klarzumachen versuche, ist, dass du vor mir keine Geheimnisse mehr zu haben brauchst, weil ich mir in einem ganz sicher bin: Ich hatte damals immer das Gefühl, dass es absolut richtig war, mit dir zusammen zu sein, und in den letzten fünf Jahren ohne dich hatte ich immer das Gefühl, dass das falsch war, und jetzt, wo ich wieder hier bei dir bin, ist es wieder richtig, und ich will, dass das für immer so bleibt, und deswegen ist mir egal, welche Geheimnisse du hast, ich bin einfach auf deiner Seite.«
»Oh«, machte Mare etwas atemlos. »Oh. Hm. Na ja, du hast keine Ahnung von meiner Tante. Sie ist weiß Gott ein nicht leicht zu schluckender Brocken.«
»Ich kann’s ganz gut mit kleinen alten Damen.«
Mare schnaubte verächtlich. »Xan ist keine kleine alte Dame. Sie ist Vampira und Elvira, Königin der Nacht, Drachenlady und Mrs. Munster, und ein kleiner Schuss
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