Einfach bezaubernd
Knüller«, meinte Maxine, noch immer etwas zittrig.
»Geh und beobachte die Mädchen.« Xan schwenkte ihre Hand, und Maxine verschwand erneut und tauchte in dem Seher-Kristall auf, wieder neben dem Abfallhaufen, wo sie stolpernd landete. »Beim nächsten Mal landest du in dem Abfallhaufen, Maxine«, murmelte Xan. Sie schloss das Portal und lehnte sich zurück. Aus einem anderen Sichtwinkel des Seher-Kristalls erblickte sie die Schwestern: Dee, die in Gestalt einer Eule davonflog, und Lizzie und Mare, die, in der geöffneten Haustür stehend, miteinander sprachen.
Xan beugte sich näher zu ihrem Seher-Kristall und flüsterte: »Es wird ein ganz fairer Handel, meine Süßen, denn diese Zaubersprüche entsprechen der Wahrheit«, und Lizzie blickte beunruhigt auf und sagte etwas zu Mare. Mare wirkte unbeeindruckt wie immer, schüttelte den Kopf und stampfte über den Gehweg davon.
Sie hatten keine Ahnung, aber sie konnten wirklich von Glück reden, dass Xan sie im Blick behielt, sich um sie kümmerte
und ihnen die Gelegenheit dazu bot, sich ihr Lebensglück einzuhandeln. Es würde ihnen nicht wehtun, bestimmt nicht, und sie wären am Ende viel besser dran. Sie würde keinen Fehler machen, diesmal würde nichts schiefgehen, und wenn doch, dann wäre es jedenfalls nicht ihre Schuld. Nein, sie durften sich wirklich glücklich schätzen.
Besonders Lizzie , dachte Xan und empfand einen Stich der Eifersucht, als Lizzie sich umwandte und ins Haus zurückging.
Besonders Lizzie …
Kapitel 2
An jedem anderen Morgen wäre Dee entzückt gewesen, sich so aus dem Haus hinaus in die Lüfte zu schwingen. Ihre glücklichsten Momente hatte sie als Vogel erlebt. Sie liebte es, zu fliegen: das rasche Aufsteigen, die Luft, die durch ihr Gefieder rauschte, die Illusion von Freiheit. Sie bewunderte die Formen und Farben, die ihr die Erde aus dieser luftigen Perspektive bot. Am meisten aber liebte sie es, allein zu sein, alle Verantwortung abzustreifen, keine Erwartungen erfüllen zu müssen, sich nur auf die Szene unter ihr zu konzentrieren und darauf, wie sie das alles auf die Leinwand bringen würde, die zu Hause in ihrem Studio auf sie wartete.
Heute jedoch nicht. Heute musste sie ihre kostbare Zeit darauf verschwenden, Danny James zu verfolgen.
Er bedeutete Ärger, das wusste sie einfach. Und nicht nur weil er den Hormonhaushalt einer Frau so sehr aufwühlen konnte, dass sie glatt ins Koma fiel. Dee verstand nicht, dass weder Mare noch Lizzie auf ihn reagiert hatten. Sie selbst fühlte sich noch immer wie mit einem nassen Lappen erschlagen.
Er bedeutete Ärger, weil er wusste, wer sie waren. Weil er mehr erfahren wollte. Weil sie sich verdammt noch mal nicht sicher war, ob er nicht von Xan geschickt worden war.
Aha, da war er ja. Auf einem Motorrad natürlich. Sexy genug, um auch Mares Aufmerksamkeit zu erregen, als er an ihr vorbeifuhr. Aber da war sie nicht die Einzige. Herrje, jede Frau, an der er vorbeikam, drehte sich nach ihm um. Natürlich geschah es auch nicht oft, dass sich Fremde in dieses abgelegene
Tal verirrten, in dem Salem’s Fork lag. Vielleicht war es einfach nur Neugier.
Ja, ja, und vielleicht würde sie das nächste Mal, wenn sie es mit Sex versuchte, auch einfach ihre eigene Gestalt beibehalten.
Sie blieb ihm dicht auf den Fersen und hoffte fast, dass er sich schnell verraten würde, damit sie noch ein wenig Zeit hätte, sich müßig von den warmen Luftströmungen herumtragen zu lassen, bevor sie sich auf den Weg zur Arbeit machte. Doch er war nicht entgegenkommend. Er fuhr geradewegs durch Salem’s Fork in Richtung des Flusses. Er hielt nicht an, um mit jemand zu sprechen oder verräterische Notizen weiterzugeben. Er schien es für nötig zu halten, jedem Menschen, dem er begegnete, lächelnd zuzuwinken. Und jeder von ihnen schien es für nötig zu halten, lächelnd zurückzuwinken.
Oh ja, er bedeutete wahrlich Ärger.
Sie empfand plötzlich Sehnsucht nach dem Unerreichbaren, nach ihm und diesem glücklichen Lächeln und diesem seinem verdammten Motorrad. Wahrscheinlich fühlte er sich da unten, als könnte er fliegen. Sie hätte wetten mögen, dass er ein Gefühl von Freiheit empfand.
»Mrs. Washington!«, rief er, als er das Motorrad in der Zufahrt des Lighthorse Harry Lee , eines monströsen rosarot und hellgrün gestrichenen Gebäudes im Queen-Anne-Stil, das nur einen Block entfernt vom Hauptplatz stand, anhielt. »Darf ich Sie eventuell um einen Gefallen bitten?«
Die kleine Verna Washington
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