Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einfach Freunde

Einfach Freunde

Titel: Einfach Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdel Sellou
Vom Netzwerk:
Je netter sie ist, desto dreister werde ich. Und ich komme damit durch! Schlimmstenfalls zieht sie mir ein bisschen die Ohren lang.
    Â»Du hast doch nichts gestohlen, Abdel Yamine?«
    Â»O nein, Madame!«
    Â»Dein Sweatshirt sieht so neu aus. Steht dir gut, übrigens.«
    Â»Das hat mein Vater für mich gekauft. Er arbeitet, er kann sich das leisten!«
    Â»Ich weiß, dass dein Vater ein anständiger Mann ist, Abdel Yamine … Und was ist mit dir, hast du dich für eine Lehre entschieden?«
    Â»Noch nicht.«
    Â»Aber was machst du denn den ganzen Tag? Wie ich sehe, bist du im Trainingsanzug, und du trägst gern Turnschuhe. Treibst du Sport?«
    Â»Ja. Kann man wohl sagen.«

    Ich renne. Renne die ganze Zeit. Renne wie verrückt, um den Polizisten zu entwischen, die mich vom Trocadéro bis zum Bois de Boulogne, dem Stadtwald im Westen von Paris, verfolgen. Schlafen tu ich, wenn überhaupt, in den Vorortzügen. Ein- bis zweimal die Woche gönne ich mir zum Duschen ein Zimmer in einem Billighotel. Ich trage ausschließlich neue Kleidung, die ich nach dem Wechseln zurücklasse.
    Die Touristen drängen sich am Fuß des Eiffelturms und knipsen sich gegenseitig, reihen sich dabei akkurat am Trocadéro auf, klick-klack Kodak, das Erinnerungsfoto ist im Kasten und die Sache quasi geritzt: Die Amis passen nicht gut auf ihre Spielzeuge auf, halten die Fotoapparate nachlässig in der Hand. Sie sind behangen mit Regenjacken, Wasserflaschen, Umhängetaschen, die sie in ihrer Bewegung einschränken. Ich weise lernwillige Jugendliche in mein Metier ein, mache ihnen vor, wie’s geht. Mit den Händen in den Hosentaschen und der Unschuldsmiene von einem, der die Aussicht bewundert, schlendere ich heran, dann greife ich mir blitzschnell die Kamera und flitze los gen Westen. Renne durch die Gärten vom Trocadéro, biege ab in den Boulevard Delessert, die Rue de Passy und steige schließlich an der Station La Muette in die Metro ein. Bis der Ami geschnallt hat, was eigentlich los ist, und die Bullen ruft, bin ich längst wieder in meinem Viertel und hab die Ware verhökert. Der Ring ist bestens organisiert, er operiert an der Station ­Étienne-Marcel. Dort findet man immer Abnehmer für eine Video­kamera, einen Walkman, eine Uhr oder eine Ray-Ban-Sonnenbrille. Mit Brieftaschen geb ich mich nicht ab, das lohnt sich nicht: Seit dem Siegeszug der Scheckkarte haben die Leute fast gar kein Bargeld mehr dabei. Die Elektronik verschafft mir im Gegensatz dazu satte Einkünfte, ohne dass ich mich groß anstrengen muss. Vor allem dank der unentgeltlichen Unterstützung meiner Lehrlinge.
    Die Typen, die am Trocadéro abhängen, sind nicht die Hellsten. Oder sie wissen einfach noch nicht, welche Laufbahn sie einschlagen wollen, Dieb oder ehrbarer Bürger. Ihre Väter sind Kaufleute, mittlere Führungskräfte, Lehrer oder Handwerker. Sie selbst sind faule Schüler, die den Unterricht nur die Hälfte der Zeit schwänzen, die den Nervenkitzel suchen, aber noch nicht sicher sind, ob sie ihn wirklich finden möchten. Ein Blick in meine schönen Augen (klein, braun, nichts Aufsehenerregendes) genügt, und sie nehmen ein paar Risiken auf sich. Sie finden mich cool, sind einsam und würden gern ein bisschen mit den großen Jungs spielen. Doch weil sie nicht das Glück hatten, so wie ich in der Cité aufzuwachsen, kennen sie die Spielregeln nicht. Sie verhalten sich wie brave kleine Hunde, die ihrem Herrchen mit hängender Zunge das Stöckchen zurückbringen und sich zur Belohnung einen saftigen Knochen wünschen. Sie stehlen für mich. Wenn es sein muss, schlagen sie für mich auch zu. Sie übergeben mir die Ware, die sie ohnehin nicht verscheuern können. Dafür erwarten sie nicht mal ein Dankeschön, und vom Gewinn bekommen sie nichts ab. Sie tun mir leid. Sie sind mir sehr sympathisch.

12
    Einmal, zweimal, zwanzigmal werde ich geschnappt. Es läuft immer gleich ab. Erst die Handschellen, dann ab in Polizeigewahrsam, keine Ahnung, wie lange. Heute führt man mich ab, weil ich die Statue von einem gewissen Maréchal Foch bewässert hab, der hoch zu Ross auf seinem treuen Schlachtgaul thront. Wie Lucky Luke auf Jolly Jumper.
    Â»Beschädigung öffentlichen Eigentums. Ab in die Zelle! Wir sehen uns morgen.«
    Â»Meine Eltern werden sich aber Sorgen machen!«
    Â»Ganz und gar nicht, wir geben

Weitere Kostenlose Bücher