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Einfach göttlich

Einfach göttlich

Titel: Einfach göttlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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reagieren konnte, erklang eine Stimme in der Nähe.
    »Gerate nicht in Panik, Bruder. Ich befehle dir, du sollst nicht in Panik geraten.«
    Tuch bedeckte Bruthas Gesicht.
    »Ein Nicken genügt, Junge.«
    Brutha nickte. Man bekam eine Kapuze. Alle Novizen wußten davon. Solche Geschichten erzählte man sich in den Schlafsälen. Man bekam eine Kapuze, damit die Inquisitoren nicht sahen, wem ihre Bemühungen galten…
    »Gut. Wir gehen jetzt ins Nebenzimmer. Gib gut acht, damit du nicht stolperst.«
    Hände zogen Brutha vom Stuhl und führten ihn durch den dunklen Raum. Ein Vorhang berührte ihn im Nebel der Verwirrung, und er wankte über eine Treppe. Nach der letzten Stufe knirschte Sand unter seinen Sandalen. Die Hände drehten ihn einige Male – energisch, aber ohne erkennbare Boshaftigkeit – und dirigierten ihn anschließend durch einen Korridor. Der Novize passierte einen zweiten Vorhang und gewann dann den Eindruck, er habe eine wesentlich größere Kammer erreicht.
    Später, viel später, begriff Brutha: Er hatte sich nicht gefürchtet. Im Quartier des Exquisitors stülpte man ihm eine Kapuze über den Kopf, aber es kam ihm nicht in den Sinn, Angst zu haben. Weil er fest im Glauben verharrte.
    »Hinter dir steht ein Stuhl. Setz dich.«
    Brutha setzte sich.
    »Du kannst jetzt die Kapuze abnehmen.«
    Brutha nahm sie ab.
    Und blinzelte.
    Auf der anderen Seite des Raums saßen drei Gestalten, rechts und links jeweils von einem Heiligen Legionär gesäumt. Er erkannte das markante Gesicht des Exquisitors Vorbis, und was die beiden anderen Männer betraf… Einer war klein und stämmig, der andere sehr dick. Man konnte ihn nicht als »kräftig gebaut« bezeichnen, so wie Brutha. Sein Körper schien zum größten Teil aus wabbeligem Fett zu bestehen. Alle drei trugen schlichte graue Kutten.
    Nirgends zeigten sich Brenneisen oder scharfe Messer.
    Die drei Männer musterten den Jungen mit durchdringenden Blicken.
    »Novize Brutha?« fragte Vorbis.
    Brutha nickte.
    Vorbis lachte leise – nur sehr intelligente Personen verursachen solche Geräusche, wenn sie nämlich an etwas denken, das nicht besonders lustig ist.
    »Und bestimmt werden wir dich eines Tages Bruder Brutha nennen«, fuhr der Diakon fort. »Oder gar Pater Brutha? Nun, ich halte das alles für recht verwirrend. Wir sollten so etwas vermeiden und dafür sorgen, daß du so schnell wie möglich zum Subdiakon Brutha wirst. Was meinst du dazu?«
    Brutha meinte nichts dazu. Er ahnte zwar, daß Vorbis von Beförderungen und dergleichen sprach, aber das änderte nichts an der Leere hinter seiner Stirn.
    »Nun, genug davon«, sagte Vorbis. In seiner Stimme vibrierte der vage Ärger eines Mannes, der weiß, welche große, rhetorische Arbeit ihn erwartet. »Kennst du diese gelehrten Priester?«
    Brutha schüttelte den Kopf.
    »Gut. Sie möchten dir einige Fragen stellen.«
    Brutha nickte.
    Der Dicke beugte sich vor.
    »Hast du eine Zunge, Novize?«
    Brutha nickte erneut. Dann fiel ihm ein: Vielleicht verlangten die Umstände mehr von ihm – er streckte die Zunge aus, damit der Korpulente sie ganz deutlich sehen konnte.
    Vorbis legte dem Dicken die Hand auf den Arm.
    »Ich glaube, unser junger Freund ist ein wenig eingeschüchtert«, sagte er sanft.
    Der Exquisitor lächelte.
    »Und nun, Brutha… Du brauchst uns deine Zunge nicht mehr zu zeigen; wir wissen jetzt, daß du eine hast. Nun, ich möchte einige Fragen an dich richten. Verstehst du?«
    Brutha nickte.
    »Als du mein Quartier betreten hast… Du hattest doch Gelegenheit, dich im Vorzimmer umzusehen. Bitte beschreib es mir.«
    Brutha starrte Vorbis groß an, und gleichzeitig regten sich in ihm die Turbinen der Erinnerung. Reminiszenzen strömten ins Zentrum seines Selbst.
    »Der Raum ist etwa drei Meter lang und hat weiße Wände. Sand bedeckt den Boden, abgesehen von der Ecke an der Tür; dort zeigen sich die Steinplatten. In der gegenüberliegenden Wand gibt es ein Fenster, in einer Höhe von etwa zwei Metern. Es enthält drei Gitterstangen. Hinzu kommen: ein Stuhl mit drei Beinen; eine sakrale Ikone des Propheten Ossory, aus Aphazienholz geschnitzt und mit Blattsilber geschmückt; unter dem Fenster ein Regal, das nur ein Tablett enthält.«
    Vorbis preßte die Fingerspitzen aneinander und sah darüber hinweg.
    »Und auf dem Tablett?« erkundigte er sich.
    »Wie bitte, Herr?«
    »Was lag auf dem Tablett, Sohn?«
    Bilder huschten an Bruthas innerem Auge vorbei.
    »Ein Fingerhut. Aus Bronze. Und zwei Nadeln.

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