Einfach göttlich
unmittelbar mit den vielen Wundern des Lebens zu tun. Dann liefen sie von morgens bis abends mit einem dümmlichen Grinsen durch die Gegend, so wie gewisse Stammesangehörige, die in ihren abgelegenen Tälern gelegentlich von der Polizei Besuch erhalten und dann erstaunt feststellen, was alles auf ihren Plantagen und in den Treibhäusern wächst.
Außerdem: Dann würde kaum jemand arbeiten.
Götter mögen keine Menschen, die wenig arbeiten. Wer wenig arbeitet, hat zuviel Zeit zum Nachdenken.
Ein Teil des Gehirns hat die Aufgabe, so etwas zu verhindern. Und dieser Teil funktioniert wirklich hervorragend. Er kann dafür sorgen, daß sich manche Personen langweilen, obwohl sie von Wundern umgeben sind. Bei Brutha arbeitete dieser Teil des Gehirns nun auf Hochtouren. Deshalb merkte er nicht sofort, daß er die letzte Reihe der Pilger hinter sich zurückgelassen und eine breite Passage erreicht hatte. Diese Erkenntnis dämmerte ihm erst, als er sich umdrehte und die Prozession sah.
Der Zönobiarch kehrte zu seinen Gemächern zurück, nachdem er die Abendmesse zelebriert hatte. Besser gesagt: Sie war vom Kaplan zelebriert worden; das Kirchenoberhaupt beschränkte sich bei solchen Gelegenheiten darauf, vage zu nicken.
Brutha drehte sich um die eigene Achse und hielt nach einem Fluchtweg Ausschau. Jemand hüstelte neben ihm, und als er in die entsprechende Richtung blickte, sah er in die wütenden Mienen von zwei Geringeren Iams. Zwischen ihnen zeigte sich das amüsierte, geriatrisch-gutmütige Gesicht des Zönobiarchen.
Der Alte hob automatisch die Hand, um Brutha mit den heiligen Hörnern zu segnen, und anschließend griffen zwei Legionäre nach den Ellenbogen des Novizen. Beim zweiten Versuch gelang es ihnen, Brutha von der Prozession fortzuführen und in die Menge zurückzustoßen.
»Brutha!«
Der Junge hastete über den Platz der Statue, lehnte sich daran und keuchte hingebungsvoll.
»Bestimmt komme ich jetzt in die Hölle!« ächzte er. »Für eine ganze Ewigkeit!«
»Und wenn schon. Hilf mir jetzt endlich.«
Niemand schenkte ihm Beachtung. Die allgemeine Aufmerksamkeit galt der Prozession – es galt bereits als heiliger Akt, ihr zuzusehen. Brutha ging in die Hocke und starrte an den bronzenen Opfern des Großen Gottes Om vorbei.
Ein kleines Auge glänzte zwischen dem erstarrten Gemetzel.
»Wie kommst du dorthin?«
»Es war eine knappe Sache«, erwiderte die Schildkröte. »Eins sage ich dir: Wenn ich wieder in Form bin, müssen die Adler mit erheblichen Veränderungen rechnen.«
»Was wollte der Adler mit dir anstellen?« erkundigte sich Brutha.
»Oh, er wollte mich zu seinem Nest fliegen und mit mir zu Abend essen«, antwortete der kleine Gott Om. »Was könnte er wohl beabsichtigt haben, hm?« Eine kurze Pause entstand, und die Schildkröte nutzte sie und dachte über den Sinn von Sarkasmus im Hinblick auf Brutha nach. Ebensogut hätte man Meringe nach einem Schloß werfen können.
»Das Biest wollte mich fressen«, sagte Om.
»Aber du bist doch eine Schildkröte!«
»Ich bin dein Gott !«
»Aber derzeit hast du die Gestalt einer Schildkröte. Mit einem Panzer «, betonte Brutha.
»Daran stören sich Adler nicht«, brachte der kleine Gott düster hervor. »Sie packen Schildkröten, fliegen mit ihnen hundert oder noch mehr Meter hoch und lassen sie dann fallen.«
»Urrgh.«
»Nein. Es macht eher Knack und dann Platsch. Wieso bin ich wohl hier, in der Zitadelle?«
»Ein Adler hat dich fallen gelassen? Aber…«
»Bin auf einem Misthaufen in deinem Garten gelandet. So intelligent sind Adler. Hier besteht alles aus Felsen und Steinen und so, aber der blöde Vogel läßt mich auf die einzige weiche Stelle fallen.«
»Da hattest du Glück«, sagte Brutha. »Eine Chance von eins zu einer Million.«
»Als Stier habe ich solche Probleme nicht gehabt. Es gibt nur wenige Adler, die imstande sind, einen Stier zu packen und mit ihm aufzusteigen. Wie dem auch sei…« Die Schildkröte holte tief Luft. »Hier gibt es Schlimmeres als Adler. Zum Beispiel…«
»Die schmecken lecker«, erklang eine Stimme hinter Brutha.
Der Novize richtete sich schuldbewußt auf, die Schildkröte in der Hand.
Alle in der Stadt kannten Das-ist-praktisch-geschenkt Schnappler, Lieferant verdächtig neuer heiliger Reliquien, verdächtig alten Konfekts an Stielen, sandiger Feigen und Datteln, die weit übers Verfalldatum hinaus waren. Er stellte eine Art Naturkraft dar, so wie der Wind. Niemand wußte, woher er kam oder wo
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