Einfach göttlich
verehrt.«
Om bemerkte das Zögern des Novizen, erinnerte sich an das Gitter und das Geschehen im Keller…
»Er foltert Leute«, sagte die Schildkröte kühl.
»O nein! Das fällt in den Zuständigkeitsbereich der In quisitoren. Bruder Nhumrod meint, sie arbeiten lange und für wenig Geld. Jeder Inquisitor möchte einmal Exquisitor werden, hat mir Bruder Nhumrod erklärt. Deshalb geben sie sich solche Mühe. Deshalb schuften sie manchmal Tag und Nacht, ohne zu schlafen.«
»Tag und Nacht foltern sie Menschen«, murmelte der Gott. Nein, ein Mann wie der im Garten griff nicht selbst zum Messer. Das überließ er anderen. Vorbis benutzte subtilere Methoden.
»Sie tilgen Sünde und Ketzerei aus bestimmten Personen«, sagte Brutha.
»Und wenn die Betreffenden nicht überleben?«
»Das spielt keine Rolle«, erwiderte der Novize ernsthaft. »Was mit uns in diesem Leben geschieht, ist nicht weiter wichtig. Ein wenig Schmerz ertragen wir gern, wenn wir dadurch nach dem Tod weniger Zeit in der Hölle verbringen müssen.«
»Und wenn sich die Exquisitoren irren?« fragte die Schildkröte.
»Das ist ausgeschlossen«, behauptete Brutha. »Sie werden von, äh, deiner Hand geleitet. Beziehungsweise von deinem Bein. Von deinen Krallen, meine ich.«
Die Schildkröte blinzelte mit dem einen Auge. Sie erinnerte sich an heißen Sonnenschein, an Hilflosigkeit und ein Gesicht, das nicht etwa Grausamkeit zum Ausdruck brachte, sondern Interesse. Jemand, der beobachten wollte, wie jemand anders starb – nur um festzustellen, wie lange es dauerte. Om zweifelte nicht daran, jenes Gesicht würde er nie vergessen. Und das galt auch für den Geist dahinter. Ein Bewußtsein wie eine Stahlkugel…
»Aber angenommen, etwas wäre schiefgegangen«, beharrte er.
»In Theologie bin ich nicht sehr gut«, sagte Brutha. »Aber Ossorys Testament drückt sich in dieser Hinsicht ziemlich klar aus. Die zu läuternden Personen müssen gesündigt haben, denn sonst hättest du in deiner Weisheit nicht die Aufmerksamkeit der Quisition auf sie gelenkt.«
»Ach?« Om dachte noch immer an das Gesicht. »Es ist also ihre eigene Schuld, wenn sie gefoltert werden? Das habe ich gesagt?«
»›Der Große Gott richtet über uns, im Leben wie im Tod…‹ Ossory III, Kapitel VI, Vers 56«, sagte Brutha. »Meine Großmutter meinte immer: Wenn Menschen sterben, so kommen sie zu dir, um das Urteil zu empfangen. Sie durchqueren eine große Wüste, und du wiegst ihr Herz mit einer speziellen Waage. Wenn es leichter ist als eine Feder, so bleibt ihnen die Hölle erspart.«
»Meine Güte!« entfuhr es der Schildkröte. Nach einigen Sekunden fügte sie hinzu: »Hast du irgendwann einmal in Erwägung gezogen, daß ich nicht gleichzeitig Herzen wiegen und hier unten bei dir sein kann?«
»Du kannst alles machen, was du nur willst«, stellte Brutha fest.
Om musterte den Jungen.
Er glaubt wirklich, dachte der kleine Gott. Er weiß gar nicht, wie man lügt.
Die Kraft des Glaubens brannte wie ein Feuer in Brutha.
Und dann begriff Om plötzlich. Die Wahrheit schlug ihm erbarmungslos ins Gesicht, wie der Boden nach einem langen Fall vom Himmel.
»Du mußt mich nach Ephebe mitnehmen«, sagte er hastig.
»Wie du meinst«, erwiderte Brutha. »Hast du vor, das Land der Ungläubigen mit Hufen und Flammen heimzusuchen?«
»Vielleicht, vielleicht«, räumte Om ein. »Du mußt mich unbedingt mitnehmen.« Er versuchte, seine geheimsten Gedanken unter Kontrolle zu halten, damit Brutha sie nicht hörte. Laß mich auf keinen Fall hier!
»Ohne mich könntest du Ephebe viel schneller erreichen«, meinte Brutha. »Die Leute dort sind ausgesprochen lasterhaft. Je eher du sie für ihre Sünden bestrafst, desto besser. Du könntest einfach damit aufhören, eine Schildkröte zu sein. Verwandle dich in einen brennenden Wind und leg die ephebianischen Städte in Schutt und Asche.«
Ein brennender Wind, dachte Om. Und die Schildkröte dachte an die stille Ödnis der weiten Wüste, an das Flüstern und Raunen jener Götter, die zu Dschinns und Geistern geworden waren.
Weil sie niemanden hatten, der an sie glaubte.
Niemanden. Ein einziger Gläubiger verlieh Göttern schon ein wenig Substanz.
In der Wüste stöhnten jene heiligen Entitäten, die der Vergessenheit anheimgefallen waren.
Und was Bruthas Flamme des Glaubens betraf: Sie brannte nur in ihm. Ein anderes Feuer dieser Art gab es nirgends in der Zitadelle.
F ri’it versuchte zu beten.
Er war ein wenig aus der Übung
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