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Einfach göttlich

Einfach göttlich

Titel: Einfach göttlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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der Vögel, stimmt’s?«
    »Er ist kaum mehr als ein Truthahn«, entgegnete die Stimme unter der Statue. »Das Gehirn so klein wie eine Walnuß.«
    »Ein sehr majestätischer Vogel, der Adler«, meinte der ältere Mann. »Und auch intelligent. Es gibt keine anderen Vögel, die herausgefunden haben, wie man an Schildkrötenfleisch herankommt. Interessant, nicht wahr? Adler schnappen sich die kleinen Reptile, fliegen ganz hoch empor und lassen die Biester fallen, auf daß ihre Panzer an den Felsen platzen. Anschließend lassen sie sich das zarte Fleisch schmecken. Wirklich schlau von ihnen.«
    »Eines Tages bin ich wieder richtig in Form«, versprach sich der kleine Gott Om. »Und dann wirst du diese Worte bedauern. Und zwar für ziemlich lange Zeit. Vielleicht schaffe ich sogar zusätzliche Zeit, damit du noch länger Reue empfinden kannst. Oder… Nein, ich verwandle dich in eine Schildkröte. Damit du selbst einen Eindruck gewinnen kannst. Am Panzer entlangpfeifender Wind, ein Boden, der immer näher und näher kommt… Das würde dir bestimmt gefallen, wie?«
    »Das klingt schrecklich«, sagte die Frau und sah zum Adler hoch. »Ich frage mich, was der armen Schildkröte durch den Kopf geht, während sie fällt.«
    »Die letzten Flüche ihres Lebens, Verehrteste«, antwortete der Große Gott Om und wollte noch weiter unter die Bronze der Zerstampften kriechen.
    Der Mann mit dem Tablett wirkte deprimiert. »Ich mache euch einen Vorschlag: zwei Beutel mit Zuckerdatteln für den Preis von einem. Na, was meint ihr? Das ist praktisch geschenkt.«
    Die Frau blickte auf das Tablett.
    »Äh«, sagte sie. »Da sind überall Fliegen.«
    »Du meinst die Korinthen, Gnädigste.«
    »Seit wann können Korinthen fliegen?« fragte die Frau.
    Der Verkäufer senkte den Kopf. Einige Sekunden später hob er ihn wieder und sah die Frau an.
    »Ein Wunder!« stieß er hervor und gestikulierte. »Die Zeit der Wunder hat begonnen!«
    Der Adler bewegte sich.
    Er hielt Menschen für bewegliche Teile der Landschaft: Während der Lammungszeit in den Bergen mochten sie mit Steinen werfen, wenn sich der Adler das eine oder andere neugeborene Lamm holen wollte, doch ansonsten kam ihnen nicht mehr Bedeutung zu als Büschen und Felsen. Diesmal allerdings hatten sich ziemlich viele von ihnen an einem Ort versammelt. Der Vogel ließ den Blick unsicher über die Menge schweifen.
    Wenige Sekunden später erschollen Fanfaren.
    Der Adler drehte erschrocken den Kopf, und sein primitives Greifvogelselbst fiel jäher Verwirrung zum Opfer.
    Er sprang. Die Bittsteller wichen hastig beiseite, als ihnen der große Vogel entgegenraste und dann aufstieg, über die Ecktürme des Großen Tempels segelte und zu einem Punkt am heißen Himmel wurde.
    Tief unten bewegte sich das gewaltige Portal des Tempels. Angeblich war es der Atem des Großen Gottes, der die beiden aus vierzig Tonnen vergoldeter Bronze bestehenden Türhälften aufschwingen ließ. Die Lautlosigkeit dieses Vorgangs bewies, daß sich göttliche Kraft entfaltete…
     
    B ruthas riesige Sandalen klatschten über die Steinplatten. Beim Laufen verbrauchte er immer eine Menge Kraft: Er lief aus den Knien heraus, und die unteren Hälften seiner Beine bewegten sich dabei wie Schaufelräder.
    Dies war zuviel. Erst eine Schildkröte, die behauptete Gott zu sein, was natürlich unmöglich stimmen konnte. Andererseits mußte es der Wahrheit entsprechen, denn immerhin wußte das Reptil über gewisse Dinge Bescheid. Und dann hatte die Quisition über ihn befunden. Oder so. Nun, es war nicht ganz so schmerzhaft gewesen, wie er immer geglaubt hatte.
    »Brutha!«
    Normalerweise lebte der Platz mit dem Gemurmel Tausender von Gebeten, doch jetzt herrschte Stille. Die Pilger sahen zum Tempel.
    Der Novize dachte an die besonderen Ereignisse dieses Tages, als er sich einen Weg durch die Menge bahnte.
    Menschen sind mit Realitätsfiltern ausgestattet.
    Viele Leute glauben, daß nur neun Zehntel des Gehirns wirklich genutzt werden. Sie irren sich. Nicht einmal der dümmste aller Schöpfer würde den menschlichen Kopf so gestalten, daß er mehrere Pfund unnütze graue Grütze herumträgt, deren einziger Zweck darin besteht, bei fernen primitiven Stämmen in entlegenen Tälern als Delikatesse zu gelten. Das Hirn wird genutzt. Eine seiner wichtigsten Funktionen besteht darin, das Wundervolle völlig normal erscheinen zu lassen und das Ungewöhnliche ins Banale zu verwandeln.
    Andern falls bekämen es Menschen direkt und

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