Einfach göttlich
gekommen.
Oh, natürlich sprach er jeden Tag die acht obligatorischen Gebete, aber tief in seinem verzweifelten Innern wußte er, um was es sich dabei handelte: um eine Angewohnheit. Um kurze Muße. Um regelmäßige Pausen, mit deren Hilfe man die Zeit messen konnte.
Er fragte sich, ob er jemals richtig gebetet, ob er jemals Herz und Seele für ein himmlisches Wesen irgendwo dort draußen geöffnet hatte. Wenn das tatsächlich der Fall war, so lag das letzte echte Gebet lange zurück. Vielleicht damals, als Kind… Er entsann sich nicht. Blut hatte die Erinnerungen fortgewaschen.
Es ist meine Schuld, fuhr es ihm durch den Sinn. Es mußte seine Schuld sein. Er war schon einmal in Ephebe gewesen und mochte die Stadt: weiße Marmorbauten auf einem breiten Felsvorsprung, von dem aus man weit übers Runde Meer blickte. Djelibeby fiel ihm ein: In dem kleinen Flußtal lebten Irre, die an Götter mit komischen Köpfen glaubten und ihre Toten in Pyramiden bestatteten. Fri’it kannte auch Ankh-Morpork jenseits des großen Wassers. Dort verehrte man jeden Gott und jede Göttin – solange jedenfalls genug Geld in den göttlichen Taschen steckte. Ja, Ankh-Morpork… Dort gab es ganz normale Gassen und auch viele Götterstraßen, zusammengepreßt wie ein Kartenspiel. Niemand wollte jemand anders das Dach über dem Kopf anzünden. Besser gesagt: So etwas geschah nicht häufiger, als es den allgemeinen Traditionen Ankh-Morporks entsprach. Im großen und ganzen ließen sich die Leute gegenseitig in Ruhe, damit jeder nach Belieben in den Himmel kommen oder zur Hölle fahren konnte.
An diesem Abend hatte Fri’it zuviel getrunken, und zwar von einem geheimen Weinvorrat, dessen Entdeckung ihn innerhalb von zehn Minuten den Werkzeugen der Inquisitoren ausgeliefert hätte.
Zumindest das mußte man Vorbis lassen. Früher mochte die Quisition bestechlich gewesen sein, heute war sie das nicht mehr. Der oberste Exquisitor hatte sich auf die fundamentalen Dinge zurückbesonnen, und deshalb herrschte jetzt eine Demokratie der scharfen Messer. Es kam sogar noch besser. Die Fahndung nach Häresie konzentrierte sich vor allem auf die höheren Ebenen der Kirche. Vorbis ließ keinen Zweifel daran: je höher am Baum, desto stumpfer die Säge.
Ach, was war bloß aus der Religion der guten alten Zeit geworden…
Fri’it schloß die Augen, sah jedoch nur die Hörner des Tempels, flüchtige Bilder zukünftiger Massaker und… das Gesicht von Vorbis.
Die weiße Stadt gefiel ihm.
Selbst die Sklaven lebten dort zufrieden. Weil es in bezug auf sie Regeln gab, die es zu beachten galt. Bestimmte Dinge durfte man mit einem Sklaven nicht anstellen – weil Sklaven wertvoll waren.
Von der Schildkröte hatte er dort erfahren. Das alles ergab einen Sinn. Alles klang richtig. Aber auch, wenn alles einen Sinn ergab und richtig klang… Es brachte ihn in die Hölle.
Vorbis wußte über ihn Bescheid. Bestimmt. Die Spione des Exquisitors lauerten überall. Sascho war recht nützlich gewesen, doch die Frage lautete: Wieviel hatte Vorbis von ihm in Erfahrung bringen können? Über welche Informationen verfügte der Diakon? Gehörten Namen dazu?
Vielleicht.
Mit ziemlicher Sicherheit.
Die Quisition lüftete jedes Geheimnis.
Irgend etwas in Fri’it zerbrach, und er sah zum Schwert an der Wand.
Warum nicht? Sein Schicksal bestand ohnehin darin, eine Ewigkeit in tausend Höllen zu schmoren…
Diese Erkenntnis schenkte ihm eine gewisse Freiheit. Wenn man ohnehin mit dem Schlimmsten rechnen mußte, wenn das entsetzlichste aller Schicksale zur Gewißheit wurde… Dann brauchte man eigentlich nichts mehr zu fürchten. Dann verloren alle Drohungen ihren Sinn.
Und wenn einem schon nichts anderes übrigblieb, als auf der Folterbank zu sterben, sollte es sich wenigstens lohnen.
Fri’it stand mühsam auf und wankte zur Wand. Nach mehreren Versuchen gelang es ihm, den Schwertgürtel vom Haken zu ziehen. Vorbis’ Quartier war nicht weit entfernt, und die Treppe stellte das einzige Hindernis dar. Ein Hieb genügte. Er konnte den Exquisitor in zwei Stücke teilen, ohne sich dabei anzustrengen. Und nachher… Vielleicht passierte überhaupt nichts. Es gab andere Leute, die wie er dachten und fühlten. Irgendwo. Oder… oder er erreichte die Ställe vielleicht und konnte fliehen, durch die Wüste, nach Ephebe…
Der General torkelte zur Tür und streckte die Hand nach dem Knauf aus…
…der sich von ganz allein drehte.
Fri’it taumelte zurück, als die Tür nach
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