Einfach göttlich
Erstaunlicherweise wirkten sie wie ganz normale Leute und wiesen überhaupt keine Ähnlichkeit mit zweibeinigen Dämonen auf.
»Es sind Menschen«, sagte Brutha.
»Dafür bekommst du eine Eins in komparativer Anthropologie.«
»Bruder Nhumrod hat immer gesagt, daß die Ephebianer Menschenfleisch verspeisen«, meinte Brutha. »Er lügt bestimmt nicht.«
Ein kleiner Junge musterte Brutha nachdenklich, während er mit dem Finger in der Nase bohrte. Wenn es sich um einen Dämon in menschlicher Gestalt handelte, so war das entsprechende Unheilswesen ein äußerst guter Schauspieler.
Hier und dort erhoben sich Statuen aus weißem Stein. Brutha hatte noch nie zuvor Statuen gesehen – außer jenen Exemplaren, die den Großen Gott beim Zerstampfen von Ungläubigen zeigten.
»Wen stellen die Bildnisse dar?«
»Die dickliche Gestalt ist Tuvelpit, Gott des Weins. In Tsort nennt man ihn Smimto. Die Aufgedonnerte mit der komischen Frisur ist Astoria, Göttin der Liebe. Hat nur Flausen im Kopf. Das häßliche Etwas da drüben… Der Krokodilgott Offler. Kommt nicht von hier, sondern aus Klatsch. Die Ephebianer haben von ihm gehört und hielten ihn für eine gute Idee. Achte auf die Zähne. Es sind gute Zähne. Echt gute Zähne. Die mit den Schlangenhaaren…«
»Du sprichst so von ihnen, als gäbe es sie wirklich«, staunte Brutha.
»Das ist auch der Fall.«
»Außer dir existieren keine Götter – das hast du Ossory gesagt.«
»Nun, äh, da habe ich vielleicht ein wenig zu dick aufgetragen. Wie dem auch sei: Die meisten Götter taugen nicht viel. Einer verbringt fast seine ganze Zeit damit, Querflöte zu spielen und den Milchmädchen nachzujagen. Das ist doch kein heiliges Verhalten.«
Die Straße führte steil und in engen Kurven am Hang empor. Ein großer Teil der Stadt schien auf Felsvorsprüngen errichtet worden oder in den Rücken des Berges hineingemeißelt zu sein. Dadurch wurde die Veranda eines Hauses zum Dach des anderen. Die Straßen waren keine Straßen, sondern Treppen aus schmalen Stufen. Für Menschen und Esel stellten sie keine unüberwindlichen Hindernisse dar, wohl aber für Karren und Wagen. Diese Stadt gehörte den Fußgängern.
Viele Bürger sahen der Prozession schweigend zu. Stumm blieben auch die göttlichen Statuen. Die Ephebianer hatten so viele Götter wie andere Städte Ratten.
Brutha bemerkte den Gesichtsausdruck des Exquisitors. Vorbis blickte starr geradeaus, und der Novize fragte sich, was er sah.
Hier war alles so anders!
Und natürlich auch teuflisch. Obgleich die in Stein dargebotenen Götter keinen sehr dämonischen Eindruck erweckten… Bruder Nhumrods imaginäre Stimme flüsterte in Brutha und meinte, daß diese speziellen Dämone durch ihr harmloses Erscheinungsbild noch viel dämonischer wurden. Die Sünde schlich wie ein Wolf im Schafspelz heran.
Eine der Göttinnen hatte gewisse Probleme mit ihrem Gewand, stellte der Novize fest. Wenn Bruder Nhumrod zugegen gewesen wäre… Vermutlich hätte er jetzt das Bedürfnis verspürt, in seine Kammer zu fliehen, dort mehrere Stunden lang auf dem Boden zu liegen und besonders hingebungsvoll zu beten.
»Petulia, Göttin Veräußerlicher Zuneigung«, erklärte Om. »Verehrt von den Damen der Nacht und aller anderen Tageszeiten, wenn du verstehst, was ich meine.«
Bruthas Kinnlade klappte nach unten.
»Hier gibt es eine Göttin für angemalte und verruchte Weiber?«
»Warum nicht? Sollen sehr religiös sein, solche Frauen. Vielleicht deshalb, weil sie so häufig auf dem Rücken lie… weil sie oft zum Himmel emporsehen… Es kommt eben auf den Glauben an. Und auf Spezialisierung. Reduziert das Risiko und erhöht den Profit. Irgendwo gibt’s sogar einen Gott des Kopfsalats. In einer solchen Position braucht man kaum Konkurrenz zu fürchten. Man sucht sich einfach eine Gemeinschaft, die Kopfsalat anbaut, und dort bleibt man. Donnergötter kommen und gehen, aber bei jeder Schädlingsplage wird zum Gott des Kopfsalats gebetet. Eins muß man Petulia lassen: Sie hat eine Marktlücke entdeckt und gefüllt.«
»Es gibt einen Gott des Kopfsalats?«
»Warum nicht? Wenn genug Leute glauben, kann man der Gott von irgend etwas werden…«
Om unterbrach sich und überlegte, ob jetzt erste Erkenntnisse in Brutha reiften. Doch der Novize dachte an etwas ganz anderes.
»Es ist nicht richtig. Nein, es gehört sich nicht, Leute auf diese Weise zu behandeln… Autsch.«
Er stieß an den Rücken eines Subdiakons. Die Gruppe verharrte nun unter
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