Einfach göttlich
anderem deswegen, weil die ephebianische Eskorte stehenblieb. Doch den eigentlichen Anlaß bot ein Mann, der über die Straße hastete.
Er schien recht alt zu sein und ähnelte in vielerlei Hinsicht einem Frosch, der schon vor einer ganzen Weile ausgetrocknet war. Etwas an ihm mochte bestimmte Leute in Versuchung führen, ihn »rüstig« zu nennen, doch derzeit existierten zwei andere Bezeichnungen, die den Alten hundertprozentig genau beschrieben: »splitternackt« und »tropfnaß«. Hinzu kam ein Bart. Ein Bart, in dem man zelten konnte.
Ohne jede Befangenheit eilte der Mann über die Straße und zum Laden eines Töpfers. Den Töpfer beunruhigte es offenbar überhaupt nicht, daß sich ein nackter und nasser Greis an ihn wandte. Ähnlich erging es den übrigen Bürgern. Kaum jemand von ihnen schenkte dem Alten mehr als nur beiläufige Aufmerksamkeit.
»Ich möchte einen Topf Größe neun und Bindfaden«, sagte der Nackte.
»Ja, Herr Legibus.« Der Töpfer griff unter den Ladentisch und holte ein Handtuch hervor. Der Alte nahm es geistesabwesend entgegen. Brutha ahnte, daß sich diese Szene schon oft wiederholt hatte.
»Darüber hinaus benötige ich einen Hebel mit unendlicher Länge und, ähm, einen unbeweglichen Ort, um darauf zu stehen«, sagte Legibus, während er sich abtrocknete.
»Leider kann ich nur das bieten, was du hier siehst, Herr: Töpfe und Haushaltswaren. Axiomatische Artikel sind derzeit ein wenig knapp.«
»Hast du ein Stück Kreide?«
»Ich glaube, vom letztenmal ist noch eins übrig«, erwiderte der Töpfer.
Der kleine nackte Mann nahm die Kreide und malte Dreiecke an die nächste Wand. Nach einer Weile blickte er an sich herab.
»Warum trage ich keine Kleidung?« fragte er.
»Wir haben mal wieder gebadet, wie?« entgegnete der Töpfer.
»Meine Sachen liegen im Bad?«
»Vielleicht kam dir beim Baden eine Idee«, spekulierte der Töpfer.
»Stimmt! Stimmt haargenau!« entfuhr es Legibus. »Es geht darum, wie man die ganze Welt bewegen kann. Mit Hebelkraft. Funktioniert zweifellos. Jetzt geht’s nur noch darum, die technischen Einzelheiten auszuarbeiten.«
»Freut mich«, sagte der Töpfer. »Wenn sich die Welt mit einem Hebel bewegen läßt… Dann wäre es vielleicht möglich, sie im Winter an einen wärmeren Ort zu bringen.«
»Leihst du mir das Handtuch?«
»Es gehört dir, Herr Legibus.«
»Tatsächlich?«
»Du hast es beim letztenmal zurückgelassen. Erinnerst du dich? Als du die Idee für den Leuchtturm hattest?«
»Gut, gut.« Legibus wickelte sich das Handtuch um die Lenden und zeichnete noch einige Linien an die Wand. »Gut. In Ordnung. Ich schicke später jemanden, um die Mauer zu holen.«
Der Alte drehte sich um und schien die Omnianer jetzt zum erstenmal zu sehen. Er beugte sich vor, blinzelte mehrmals und zuckte dann mit den Schultern.
»Hmm«, sagte er und ging fort.
Brutha zupfte am Umhang eines ephebianischen Soldaten.
»Entschuldige bitte… Warum sind wir stehengeblieben?«
»Philosophen haben Vorfahrt«, antwortete der Krieger.
»Was ist ein Philosoph?« fragte Brutha.
»Jemand, der klug genug ist, um sich den Lebensunterhalt ohne schwere körperliche Arbeit zu verdienen«, erklang eine Stimme zwischen den Schläfen des Novizen.
»Ein Ungläubiger, der nach dem gerechten Schicksal sucht, das ihn früher oder später ereilen wird«, erläuterte Vorbis. »Jemand, der Torheiten erfindet. Diese verfluchte Stadt lockt sie ebenso an wie ein Misthaufen Fliegen.«
»Es liegt am Klima«, meinte die Schildkröte. »Ist doch ganz klar. Wenn man dazu neigt, bei jeder neuen Idee aus der Badewanne zu springen und über die Straße zu laufen, dann sollte man kalte Regionen meiden. Wenn man sich bei kaltem Wetter auf eine solche Weise verhält, holt man sich eine Lungenentzündung und stirbt. So etwas nennt man natürliche Auslese. Ephebe ist berühmt für die vielen Philosophen. Ihre Auftritte sind besser als jedes Straßentheater.«
»Meinst du damit viele alte Männer, die nackt durch die Straßen laufen?« fragte Brutha leise, als sie den Weg fortsetzten.
»Mehr oder weniger. Wenn man das ganze Leben lang übers Universum nachdenkt, so vergißt man irgendwann die weniger wichtigen Dinge. Wie zum Beispiel die Hose. Nun, Philosophen haben ständig neue Ideen, aber neunundneunzig von hundert sind vollkommen nutzlos.«
»Warum bringt man sie dann nicht an einem sicheren Ort unter?« fragte der Novize. »Ich meine, offenbar taugen Philosophen nicht viel.«
»Man
Weitere Kostenlose Bücher