Einfach Himmlisch
mit geballten Fäusten da und sah zu, wie er die wenigen Schritte zum behelfsmäßigen Bett hinkte.
Sie hatte stets die Fabel von der Maus, die dem Löwen den Dorn aus der Pfote zieht, für unrealistisch gehalten. Ein so gewaltiges und stolzes Tier würde die Maus mit einem Prankenhieb erledigen, um seine Hilflosigkeit abzureagieren.
Gut, dass sie keine Maus war.
Wortlos schob sie sich neben Michael unter die dünne Decke.
Sein Körper fühlte sich so hart und beruhigend an wie letzte Nacht. Aber viel wärmer.
A.J. starrte in die Dunkelheit und lauschte auf die Serenade der Frösche und die Rufe der anderen Nachttiere. Und sie hörte den gleichmäßigen Atem des Mannes, dessen Körper sie wie ein Heizofen wärmte. Michael war augenblicklich eingeschlafen.
Ihr gelang das nicht. Sie lag da, sorgte sich und betete.
Michael mochte es zugeben oder nicht, aber er brauchte sie. Er war krank und verletzt, und er hing von ihr ab wie umgekehrt sie von ihm. Wenn sie sich nicht gegenseitig halfen, würde keiner von ihnen lebend aus diesem Dschungel herauskommen.
6. KAPITEL
„Das Fieber ist gesunken", sagte Michael, als er am nächsten Morgen vom Bach zurückkehrte, wo er sich die Zähne geputzt hatte.
Zum Glück hatte er in einer seiner magischen Taschen eine Zahnbürste und eine kleine Tube Zahnpasta bei sich, und A.J. besaß noch die Bürste, die ihr einer der Wächter gegeben hatte.
Michael saß auf einem Stein und band die Stiefel zu. Er sah besser aus. Das Gesicht war nicht mehr so stark gerötet, und die Augen waren klarer. Natürlich sank Fieber morgens oft und stieg im Verlauf des Tages. Er war noch nicht gesund, doch er wirkte sehr erleichtert.
„Ausgezeichnet." Sie drückte die Luft aus der Decke heraus und faltete sie zusammen, bis sie wieder in die Westentasche passte. „Der Schlaf hat Ihnen offenbar geholfen."
Einige Zeit war Michael ruhelos gewesen und hatte sie oft geweckt. Gegen Morgen war er dann in tiefen Schlaf gesunken.
„Ich bin nicht daran gewöhnt, krank zu sein." Er griff nach dem Stock und richtete sich auf. „Ich kann mich gar nicht erinnern, wann das letzte Mal war. Vermutlich war ich damals noch ein Kleinkind:"
„Wenn Sie sich entschuldigen, weil Sie sich gestern Abend wie ein quengeliges Kind aufgeführt haben, ist die Entschuldigung angenommen."
„Wie ein quengeliges Kind?" fragte er lächelnd.
Prompt wurde er ihr wieder gefährlich. Sie verliebte sich allmählich in ihn. Natürlich nur vorübergehend, das stand fest. Es hatte damit zu tun, dass, sie ganz allein waren und in Gefahr schwebten. Er hatte sie gerettet. Und leider sprach sie auf männliche Schönheit an. Schon auf dem College war es ihr so ergangen. Damals hatten sie die Hormone von einer Schwärmerei zur nächsten getrieben. Jetzt war sie allerdings klüger. Diesmal kam sie darüber hinweg.
Trotzdem, die ganze Welt schien zu leuchten, wenn Michael lächelte.
Das Fieber kehrte um die Mittagszeit zurück.
Diesmal stritt Michael es nicht ab. Er fluchte lautlos vor sich hin und legte früher als geplant an einem Fluss eine Rast ein.
Dann schickte er Alyssa los, um Brennholz zu sammeln, damit sie Wasser abkochen konnten. Er brauchte mehr Flüssigkeit.
Sie beschwerte sich nicht und stellte keine lästigen Fragen nach seinem Befinden. Still und tüchtig führte sie seine Anweisungen aus. Verrückterweise ärgerte ihn auch das.
Während sie noch unterwegs war, holte er die Landkarte hervor. Gestern Abend hatte er die Position ihres Nachtlagers ins GPS-Gerät eingegeben. Daher wusste er, wo sie nun waren - ungefähr fünfzig Kilometer von der Grenze und noch ein Mal fünfzig von der nächsten guatemaltekischen Stadt entfernt.
Das bedeutete, dass sie viele Berge überqueren mussten. In guter Verfassung hätte er den Pass, den er ansteuerte, in zwei und die Stadt in weiteren zwei bis drei Tagen erreichen können. In seinem gegenwärtigen Zustand jedoch ... Vorsichtig faltete er die Landkarte wieder zusammen.
Im Moment konnte er froh sein, wenn er es überhaupt schaffen würde.
Er war vielleicht ein Held! Vielleicht hätte er Alyssa einreden sollen, dass sie ihn aufhielt. Dann wäre sie damit einverstanden gewesen, dass sie sich trennten. Doch er glaubte nicht, dass sie es aus eigener Kraft schaffen könnte.
„Viel habe ich nicht gefunden", sagte sie fröhlich. „Reicht das?"
Alyssa stand mit Holz auf den Armen vor ihm, Schlamm und Erde im Gesicht. Ihre Hose war schon längst unbeschreiblich schmutzig. Das
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