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Einfach hin und weg

Einfach hin und weg

Titel: Einfach hin und weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Jansen
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St.-Jean-Pied-de-Port auf der Wanderung. Einige Tage früher losgezogen als ich. Ihre Kurzhaarfrisur hat sie bunt gefärbt und zusätzlich noch ein paar poppige Wollfilzfäden in ihre Haare gesteckt. Sieht aus wie ein Punk. Und ich? Mit meinem geschorenen Kopf wie ein Skin. Also Punk und Skin in trauter Unterhaltung.
    Wir haben ein sehr schönes Gespräch über unsere bisherigen Erlebnisse, bezweifeln, dass es im Leben Zufälle gibt. Alles ist irgendwie vorgesehen, es kommt wie es kommt.
    Ich erzähle ihr mein Erlebnis mit Hermine und das gefällt ihr ungemein. Nur wer in sich hineinhorcht, sich öffnet und die Dinge sehen will, der bemerkt sie auch. Wir sind uns einig: der Camino hat schon was an sich und wir werden von ihm getragen!!
    Nach einer Stunde gibt sie wieder Gas, ich bin ihr zu langsam.
    Im nächsten Dorf sitzt sie in einem Café auf der Terrasse und lädt mich zu einem Bier ein. Ich schenke ihr ein vierblättriges Kleeblatt, das ich in der Zwischenzeit gefunden habe und lehne dankend ab. Jetzt will ich weiter.
    Bridget sollte mir noch einige Male begegnen.
     
    Ich will bis Astorga gehen, einer sehr schönen kleinen Stadt mit Gebäuden des berühmten Architekten Gaudí.
    Jetzt bin ich in Hospital de Órbigo und habe gerade mal die Hälfte der 32 km geschafft. Kurze Rast bei einem halben Liter Wasser und ein paar Keksen.
    Nach wenigen Minuten fängt mein linker Fuß an zu schmerzen. Fünf Kilometer später kann ich kaum noch laufen. Irgendetwas ist passiert. Ich will den Schuh nicht ausziehen, da ich Angst habe, dass ich ihn nicht wieder anziehen kann. Ich humpele auf einem Bein und halte mich an Henriette fest (toll mit Rosen geschmückt).
    Drei Kilometer vor Astorga klettere ich auf einen Hügel mit einem gewaltigen Kreuz und sehe die Stadt im gleißenden Licht zu meinen Füßen. Ich setze mich unter das Kreuz und mache die Augen zu.
    Ich weiß nicht, wie ich bis zur Herberge in Astorga gekommen bin. Das war mehr als ein innerer Schweinehund, den ich heute besiegt habe. Ich werfe mich sofort auf mein Bett, mit Schuhen. Und bin den Tränen nahe vor Schmerzen. Da kommen Thadeus und Doreen durch die Türe. Ein Wunder! Auf Doreens Geheiß muss ich mir Schuhe und Strümpfe ausziehen.
    Nach der Dusche fängt sie sofort an, die vier Riesenblasen an der Ferse, am kleinen Zeh und unter den Fußballen zu verarzten. Blasen mit einer desinfizierten Stricknadel aufstechen, den eingefädelten Faden mit Betaisodona durchtränken und in der Blase gleichmäßig verteilen. Hört sich einfach an, ist aber nicht so leicht zu ertragen.
    An dieser Stelle muss ich einmal von meinen Erfahrungen mit Blasenpflastern und anderen Mitteln berichten: jeder hat sein eigenes Rezept, seine Füße zu pflegen. Der eine nimmt normale Salbe aus dem Supermarkt, der andere Hirschtalg, der nächste Pferdebalsam.
    Jeder schwört auf sein eigenes Mittelchen und dass gerade dieses am besten hilft. Ich bin mit meiner Salbe, eingekauft in einer Drogeriekette, gut gefahren. Regelmäßiges Einbalsamieren zahlt sich aus.
    Was Blasenpflaster betrifft, hat keine Marke gehalten was sie versprach. Hansaplast und auch Compeed haben Blasen weder verhütet, noch Schmerzen bedingt durch bereits bestehende Blasen gelindert. Kein Pflaster war wirklich wasserfest und beide lösten sich nach der ersten Dusche. Beim Ausziehen der Strümpfe nach einem stundenlangen Marsch blieben sie in den Socken stecken.
    Nach mehreren Wochen herrschte bei allen die Erkenntnis, dass es nur ein einziges Rezept gibt: Augen zu und durch. Notfalls einmal eine Pause einlegen. Ohne Blasen kommt kaum ein Mensch in Santiago de Compostela an.
    Eine Stunde nach der Therapie durch meine Freunde bin ich einigermaßen fit, schlüpfe in meine Sandalen und begebe mich auf Entdeckungsreise in Astorga.
    Als Krönung und Belohnung gönne ich mir abends ein stilvolles Diner im Restaurant Gaudí. Hervorragende Küche zu Pilgerpreisen.
    Ich denke heute nicht an morgen, habe aber die Befürchtung, dass die Etappe, falls denn eine stattfindet, nicht sehr lang sein wird. Schließlich will ich in Santiago ankommen.
    Das war der schmerzhafteste Tag seit meiner Abreise. Trotzdem bin ich nicht mutlos oder niedergeschlagen.
    Jeder tröstet jeden, jeder hilft jedem und ich bin glücklich, dass ich so nette Menschen auf dem Jakobsweg finde. Heute danke ich ganz besonders Thadeus, Anna und Doreen. Und Marie-France, die die letzten Kilometer schweigend neben mir her gegangen ist und mir geholfen hat mit ihrer

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