Einfach. Liebe.
Theorie, aber jegliche Logik gebot mir ein gewisses Verantwortungsgefühl. Kennedy schien nichts dergleichen zu verspüren.
»Er würde sowieso auf nichts hören, was ich zu sagen habe.«
»Woher willst du das wissen?«, hakte ich nach.
Er seufzte. »Keine Ahnung. Vielleicht, weil er es noch nie getan hat. Komm schon. Komm morgen zu uns. Ich hole dich um kurz vor eins ab. Es wird besser sein als … irgendein Tiefkühlfraß, den du in die Mikrowelle schieben wolltest, oder?«
Ich verdrehte die Augen, und er kicherte.
»Ich verstehe noch immer nicht, warum du es ihnen nicht gesagt hast. Es ist über einen Monat her.«
Er zuckte wieder mit den Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht, weil ich weiß, wie sehr meine Familie dich liebt.« Das war nun wirklich Blödsinn. Ich zog eine Augenbraue hoch, und er lachte. »Okay, na schön, sie hatten sich an dich gewöhnt – an uns gewöhnt. Ich nehme an, du hast es deinen Eltern gesagt?«
Ich rollte die Zehen auf dem kühlen Marmorboden ein, als die Kälte von draußen in den Eingangsbereich drang. »Mom habe ich es gesagt, und ich schätze, sie hat es Dad gesagt. Sie schienen leicht verärgert, aber ich weiß nicht, ob sich der Ärger gegen dich gerichtet hat, weil du mit mir Schluss gemacht hast, oder gegen mich, weil ich es nicht geschafft habe, dich zu halten.« Ich wollte mich für diese weinerlichen Worte am liebsten ohrfeigen, die klangen, als würde ich mich nach ihm verzehren.
Tatsächlich hatten Mom und ich einen Streit wieder aufgewärmt, den wir geführt hatten, als ich ihr zum ersten Mal von meinen Collegeplänen erzählte. Sie war nicht einverstanden gewesen, hatte erklärt, kluge Mädchen würden ihren eigenen Weg gehen, wenn es um die Karriere ging – sie würden nicht ihren Highschool- Freunden aufs College folgen. »Aber mach, was du willst. Das hast du ja schon immer getan.« Mit diesen Worten war sie aus meinem Zimmer gerauscht. Wir hatten nicht wieder darüber gesprochen, bis Kennedy sich von mir trennte.
»Ich schätze, jetzt nützt es auch nichts mehr, dich darauf hinzuweisen, dass ich recht mit ihm hatte«, hatte sie am Telefon geseufzt. »Und mit deiner schlecht beratenen Entscheidung, ihm dorthin zu folgen.«
Jedes Mal, wenn ich eine Auseinandersetzung offenkundig gewonnen hatte, sagte Mom so etwas wie: »Auch eine kaputte Uhr geht zweimal am Tag richtig.« Ich hatte ihr diese weisen Worte nun selbst ins Gesicht geschleudert, und genau wie damals, als ich meine Collegepläne verkündete, hatte sie tief aufgeseufzt, als wäre ich ein hoffnungsloses, naives Dummerchen, und das Thema fallengelassen. Sie konnte nicht ahnen, dass ich ihr in diesem Augenblick ausnahmsweise einmal völlig recht gab. Meinem Freund aufs College zu folgen war vermutlich das Dämlichste, was ich je getan hatte.
Kennedy stand da, die Daumen in seinen Gürtel schlaufen verhakt, mit zerknirschter Miene. »Du hast bestimmt nicht vor, zum Thanksgiving-Dinner zu Dahlias oder Jillians Familie zu gehen, sonst hättest du es bestimmt schon gesagt.«
Da ich lieber abwarten wollte, bis die Festtage vorbei waren, hatte ich meine Highschool-Freundinnen noch nicht angerufen, um sie wissen zu lassen, dass ich zu Hause war. Jillian war nach dem ersten Studienjahr von der Uni geflogen, war wieder nach Hause gezogen, um ein Managementtraining bei Forever 21 zu machen, und hatte sich mit irgendeinem Typen verlobt, der in der Einkaufspassage einen Schmuckladen führte. Dahlia befand sich im zweiten Jahr ihrer Krankenpflegeausbildung in Oklahoma. Wir hatten uns alle auseinandergelebt, seit wir mit der Schule fertig waren. Es war seltsam, wie fremd mir jede von ihnen jetzt schien, obwohl wir die vier Jahre Highschool wie siamesische Drillinge verbracht hatten.
Jetzt hatte Dahlia ihre Krankenschwestern-Clique in einem benachbarten Bundesstaat, und Jillian hatte eine blaue Strähne im Haar, einen Vollzeitjob und einen Verlobten. Beide waren erschüttert, als Kennedy und ich uns trennten. Sie gehörten zu den Ersten, die mir eine SMS schickten und anriefen und ihre Anteilnahme bekundeten – oder es versuchten, obwohl wir uns seit über einem Jahr nicht mehr sehr nahestanden. Ich hoffte, wir könnten einfach zusammen abhängen und nicht bis zum Erbrechen die Sache mit Kennedy durchkauen.
»Ich habe mit niemandem Pläne. Ich dachte, es wäre mal schön, zu Hause zu sein, alleine .« Ich betonte das letzte Wort und reckte das Kinn.
»Du kannst doch nicht an Thanksgiving ganz allein hier
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