Einfach. Liebe.
Hände vors Gesicht und brach an Erins Schulter zusammen wie ein Kind. »Schscht, schscht«, flüsterte Erin beschwichtigend und legte ihre Arme um sie. Wir blickten uns über Mindis Kopf hinweg an, und ich wusste, dass für sie kein Lucas da gewesen war.
»J, wir müssen es melden. Diesmal müssen wir es melden.«
»Aber niemand wird mir glauben!«, krächzte Mindi. Sie war heiser, und ich stellte mir vor, wie sie genau dasselbe getan hatte wie ich – wie sie ihn angefleht hatte aufzuhören. Ich stellte mir vor, wie sie die ganze Nacht und den halben Tag geweint hatte, und ich war so wütend und gleichzeitig verängstigt wie noch nie zuvor in meinem Leben. »Ich war nicht …« Sie dämpfte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Ich war keine Jungfrau mehr.«
»Das spielt keine Rolle«, sagte Erin entschieden.
Ich würgte an dem Kloß in meiner Kehle. »Sie werden dir glauben. Er hat versucht – er hat es bei mir versucht, vor einem Monat.«
Mindi schnappte nach Luft, während sie ihr verquollenes Gesicht hob. »Er hat dich auch vergewaltigt?«
Ich schüttelte den Kopf, während mich ein eisiger Schauder vom Nacken bis zu den Fußknöcheln durchzuckte. »Jemand hat ihn aufgehalten. Ich hatte Glück.« Bis zu diesem Augenblick hatte ich keine Ahnung gehabt, wie viel Glück. Ich glaubte es zu wissen, aber ich wusste es nicht.
»Oh.« Ihre Stimme schwankte leicht, und sie weinte noch immer. »Wird das denn zählen?«
Erin überredete Mindi sich hinzulegen und breitete eine Decke über sie aus. »Es wird zählen.« Sie setzte sich neben Mindi und hielt ihre Hand. »Wird Lucas deine Geschichte denn bestätigen, J? Ich meine, also ich schätze, nach dem, was wir über ihn wissen, wird er es tun.«
Lucas war wütend gewesen, weil ich ihn an dem Abend nicht die Polizei rufen ließ. Ich hatte mir n ie überlegt, dass ich, indem ich den Vorfall nicht gemeldet hatte, Buck das Gefühl gab, unangreifbar zu sein. Dass er es wieder tun würde. Ich war davon ausgegangen, dass das, was Lucas Buck angetan hatte, abschreckend genug sein würde. Nicht dass es ihn von dem abgehalten hatte, was er im Treppenhaus getan hatte … oder von seinen angedeuteten Drohungen auf der Party, genau vor Kennedy.
Ich nickte. »Das wird er.«
Erin holte zitternd Luft und beugte sich über Mindi. »Wir müssen die Polizei rufen oder ins Krankenhaus fahren oder irgendwas, oder? Ich habe keine Ahnung, was wir zuerst tun sollen.«
»Ins Krankenhaus?« Mindi hatte Angst, und das konnte ich ihr nicht verdenken.
»Sie werden vermutlich eine … Untersuchung oder so vornehmen müssen.« Erin schlug jetzt einen sanfteren Ton an, aber bei dem Wort Untersuchung weiteten sich Mindis Augen dennoch und füllten sich wieder mit Tränen.
Ihre Fingerknöchel verfärbten sich weiß, als sie die Decke umklammerte. »Ich will keine Untersuchung! Ich will nicht ins Krankenhaus!«
Wie konnte ich ihr das verdenken, wenn eine Anzeige nur noch mehr Schmerz und Demütigung nach sich ziehen würde?
»Wir werden dich begleiten. Du schaffst das schon.« Erin wandte sich an mich. »Was sollen wir zuerst tun?«
Ich schüttelte den Kopf, während ich an die Campuspolizei dachte. Manche Polizisten, so wie Don, würden vermutlich gut mit dieser Situation umgehen. Andere vielleicht nicht. Wir konnten sofort zum Krankenhaus fahren, aber ich war mir nicht sicher, welche Schritte die richtigen waren. Ich griff nach meinem Handy und wählte.
»Hallo?« Lucas’ Stimme war misstrauisch, und mir wurde bewusst, dass ich ihn noch nie angerufen hatte.
»Ich brauche dich.« Abgesehen von den Arbeitsblättern, die er mir geschickt hatte, und dem Selbstverteidigungskurs gestern Vormittag war es über eine Woche her, seit wir miteinander kommuniziert hatten.
»Wo bist du?«
»In meinem Zimmer.« Ich erwartete, dass er mich fragen würde, was ich wollte. Er tat es nicht.
»Bin in zehn Minuten da.«
Ich schloss die Augen. »Danke.«
Er legte auf und ich ebenfalls, und wir warteten.
Lucas hockte sich auf die Fersen, genau auf Mindis Augenhöhe. »Wenn du ihn nicht anzeigst, wird er es wieder tun. Mit einer anderen.« Seine Stimme summte durch mich hindurch, kaum hörbar von der anderen Seite des Zimmers. »Deine Freundinnen werden bei dir bleiben.«
Erin saß auf dem Bett und hielt ihre Hand. Ich kannte dieses Mädchen kaum, aber wegen Buck waren wir jetzt Verbündete, zusammengehörig auf eine Weise, auf die niemand je vereint sein sollte.
»Wirst du auch da sein?« Ihre Stimme
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