Einfach mal die Schnauze halten! - Rick ; Bd.3
Rechtskurve, sodass ich mit der Schulter
gegen den Türrahmen krachte.
»LINDA!«, regte ich mich auf. »Was soll das denn?«
Ein paar Hundert Meter weiter legte sie einen rekordverdächtigen
Abruptstopp hin.
Ich brauchte einige Zeit, um meine Reiseübelkeit niederzukämpfen.
Aber Linda, die spät dran war, wollte mich
einfach aus dem Wagen schieben.
»Was soll ich denn hier?«, beschwerte ich mich.
Linda hatte mich zu ihrer alten Wohnung gefahren.
»Ach ja, habe ich ganz vergessen, dir zu sagen, bei dem
ganzen Zeitdruck. Heute werden die Heizkörper im Haus
ausgetauscht. Das macht wahnsinnig viel Krach, und deshalb
dachten wir, du bleibst bis zum Abend lieber hier. Allerdings
bist du allein in der Wohnung. Finn ist beim Literaturzirkel.
Hier ist der Schlüssel. Ich hole dich später
wieder ab. So gegen halb acht.«
»Und was soll ich die ganze Zeit über machen?«, fragte
ich völlig entgeistert.
Linda stöhnte genervt. »Wie wär’s zum Beispiel mit
Hausaufgaben? So, und nun steig aus. Ich hab’s eilig!«
Ähm … war das wirklich Linda, die neben mir saß? Die
Frau, die immer meinte, Zeit füreinander zu haben, wäre
oberlebenswichtig? Diejenige, die behauptete, ich könnte
jederzeit mit meinen Sorgen zu ihr kommen?
Sie starrte mich mit hektisch flackernden Augen an.
»Rick! Bitte!«
Ich schluckte und öffnete die Beifahrertür. Blieb aber
dennoch sitzen.
»STEIG AUS!«, kreischte Linda.
Hinterhältiger Hammerrochen, jetzt also zeigte sie
endlich ihr wahres Gesicht. Von wegen verständnisvolles
Linda-Schatzilein. Die war mindestens so fies wie die
bösen Stiefmütter aus Aschenputtel oder Schneewittchen
in den Märchen, die mir Mary früher immer vorgelesen
hatte.
Ich hatte keine Lust, allein in Lindas Wohnung herumzuhängen.
Und auf Hausaufgaben erst recht nicht.
Nachdem von Linda nicht einmal mehr die kleinste Auspuffwolke
zu sehen war, zerrte ich deshalb Finns Fahrrad
aus der Garage hervor und strampelte damit zum Maschsee.
– Was ziemlich schräg aussehen musste mit Gips bis
unters Knie. Die Leute gafften mich jedenfalls extrem erstaunt
an. Ein älteres Ehepaar schüttelte empört die grauhaarigen
Köpfe, weil ich leicht schwankend direkt vor
ihren Füßen den Bürgersteig überquerte.
Neben dem Rundweg schmiss ich Finns Rad ins Gebüsch
und humpelte zu meiner Bank.
Ich brauchte dringend einen neuen Plan. Und diesmal
keinen hirnverbrannten, sondern einen richtig, richtig
guten.
Ich wollte nicht Püttelmeyers Darling sein. Ich wollte
nicht im Trümmerhaus wohnen! Noch immer nicht! Und
mich von Wutz und Gismo trennen, das wollte ich schon
mal gar nicht. Ach ja, und mit der gemeingefährlichen
Linda wollte ich auch nie wieder ein Wort reden. Am liebsten
hätte ich auf der Stelle die ICH-WILL-DAS-NICHTPARTEI
gegründet. Nur mit wem?
»Stopp! Ich muss mal für kleine Königspudelmädchen.«
Ich zuckte zusammen, als sich eine echt dicke Frau
durchs Gebüsch zu mir vorkämpfte.
»Ups«, kicherte sie. »Besetzt!«
»Hä?«
Sie kicherte noch mehr. Ihr Doppelkinn zitterte im Takt
mit. »Dann such ich mir mal ein anderes Plätzchen. Aber
schnell!« Sie kniff die Beine zu einem X zusammen.
»Oder könntest du vielleicht kurz das Feld räumen?«, lächelte
sie gequält.
Das glaub ich jetzt echt nicht. Da sitzt man gemütlich
auf seiner Lieblingsbank …
Viel weiter kam ich gedanklich nicht. Vom Weg her erklang
eine Stimme, die mir bekannt vorkam. Ziemlich bekannt
sogar. Und das raue Lachen hatte ich auch schon mal
gehört.
»Sabinchen, so kann man seine Pfunde auch loswerden.
Hahaha …«
Ich schoss in die Höhe und humpelte so schnell wie möglich
aus dem Gebüsch raus.
»Danke!«, rief mir die X-Beinige nach.
Aber ihretwegen hatte ich bestimmt nicht das Feld geräumt.
»Rick! Wo kommst du denn her?« Franky wischte sich
mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Er trug
zum ffn-Käppi und T-Shirt eine schwarze Jogginghose.
Um ihn herum standen mindestens zwölf andere Leute
in Sportklamotten, teilweise mit Walkingstöcken und der
gleichen Glühbirne wie Franky, und blickten mich freundlich
an.
Alle waren ziemlich … na ja … dick eben.
Franky lachte. »Rick, das ist meine
legendäre
Walkingtruppe,
die
Fat Fighters
, mit denen ich schon zweimal am
Hannover-Marathon teilgenommen habe. Fat Fighters, das
ist Rick, von dem ich euch witzigerweise gerade erzählt
habe.«
Die Fat Fighters begrüßten mich mit großem Trara und
viel Gelächter.
Ich nickte etwas eingeschüchtert
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