Einfach verliebt!: Roman (German Edition)
das hier hätte er nicht gelten lassen.«
»Höhenangst nicht gelten lassen?«, fragte er ungläubig.
»Keine wie immer geartete Schwäche hätte er gelten lassen«, stellte sie richtig.
»Meine Güte, Julia. Du bist nicht schwach.«
»Warum liege ich dann wie ein Häufchen Elend auf dem Boden?«
»Ich kenne gestandene Polizisten, die ohne mit der Wimper zu zucken einem bis an die Zähne bewaffneten Kriminellen gegenübertreten, denen aber schon bei der bloßen Erwähnung von Höhen schwindlig wird.«
Julia schnaubte. »Hatten die ein Glück, dass sie meinen Vater nicht kennen lernen mussten.«
»Was regst du dich denn so auf?«, fragte er sanft.
Sie antwortete zunächst nicht, sondern starrte nur dumpf auf die zerkratzten Gondelwände. »Ich mache alles falsch«, flüsterte sie.
»Nein …«
»Doch. Seit mein Vater tot ist, verliere ich zunehmend die Kontrolle über mein Leben. Ich hab so getan, als wäre alles okay. Ich wollte stark sein, wie er es immer von mir erwartet hatte. Aber je mehr ich mich anstrenge, ein anderer Mensch zu werden, desto grässlicher fühle ich mich. Ich weiß nicht mehr, wer ich eigentlich bin. Ich fühle mich allein gelassen.«
»Das bist du nicht, Julia. Du arbeitest an dir, seit sich deine Lebenssituation nach dem Tod deines Vaters völlig verändert hat.«
»Aber das ist es ja gerade. Ich habe weiß Gott nicht den Eindruck, dass ich auch nur einen winzigen Fortschritt mache. Es ist so, als würde ich auf der Stelle treten. Im nächsten Frühjahr muss ich das Haus verkaufen, und bis dahin sollte ich mir möglichst eine neue Existenz aufgebaut haben. Ich muss lernen, auf eigenen Füßen zu stehen.«
»Himmel noch, dir geht es doch gut, obwohl er dir einen Haufen Schulden hinterlassen hat. Und nach dem Verkauf des Hauses bleibt bestimmt noch eine Menge Geld übrig, oder?«
Sie sah ihn fest an. »Daddy hatte eine Riesenhypothek auf das Haus aufgenommen, um seinen Verbindlichkeiten nachzukommen. Ich wäre schon froh, wenn ich ohne Verlust aus der Sache rauskomme.«
»Schöner Mist.«
»Das Geld ist mir nicht wichtig. Ich möchte nur beweisen, dass ich mit irgendetwas Erfolg habe! Die alte Julia hat nicht gearbeitet. Und die neue packt es anscheinend auch nicht.«
Sie holte tief Luft und musterte ihn mit bohrendem Blick.
»Irgendwas wird schon klappen. Du hast immer noch genug Verehrer, die dir Blumen schicken. Sie kennen und schätzen dich.«
Daraufhin brannten ihr die Tränen in den Augen. Ben bemerkte, wie sie sie fortblinzelte. Sie wollte unter gar keinen Umständen weinen.
»Ich habe heute Geburtstag«, sagte sie gepresst.
Seine Brauen schossen nach oben. »Zum Teufel, hätte ich das bloß gewusst! Herzlichen Glückwunsch. Es war gemein von mir, über deine Verehrer herzuziehen. Natürlich hast du davon jede Menge. Und ich freue mich für dich, dass dir einer dieser Typen Blumen geschickt hat.«
»Die Blumen waren von meinem Vater.«
Ben verstand die Welt nicht mehr. »Wie zum Teufel geht denn das? Nachdem dein Vater …« Er stockte.
»Tot ist«, sagte sie schnell. »Solange ich mich erinnern kann, hat er mir immer Rosen zum Geburtstag geschickt. Egal, wo er auf diesem Globus gerade unterwegs war, es kamen rote Rosen. Ich mag rote Rosen noch nicht mal, aber ich fand’s okay, weil er mir damit zu verstehen gab, dass er an mich gedacht hatte.«
»Ist doch toll.«
»Toll?« Sie lachte bitter. »Ich weiß jetzt, dass nicht er es war, der an mich gedacht hatte. Er hatte einen Dauerauftrag bei einem Floristen. Deshalb habe ich sie immer pünktlich bekommen, ganz gleich, wo Dad war … Die Verantwortung haben andere ihm abgenommen. Und da er völlig unerwartet starb, konnte er den Auftrag nicht stornieren, und deshalb hab ich noch einmal Rosen bekommen.« Sie fixierte Ben. »Er hat sich nie viel aus mir gemacht. Ich war ihm so ziemlich egal.«
Die Gondel blieb kreischend stehen, und Julia tastete Halt suchend nach den Verstrebungen. »Ich wollte Stärke zeigen. Lange Zeit war ich die lebenslustige, verführerische junge Frau, wie ich es mir bei seinen Geliebten abgeguckt hatte. Dann habe ich versucht, eine sensible, sympathische und verantwortungsbewusste Frau zu werden, weil ich das einfach besser fand. Aber jetzt weiß ich plötzlich gar nicht mehr, wer ich eigentlich bin – oder wer ich sein möchte.«
»Du weißt es vielleicht nicht, aber ich.«
Sie sah ihn verständnislos an.
»Du bist die stärkste Frau, die ich kenne. Stark und sensibel und sexy.«
Sie
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