den Polizeipsychologen zu wenden. Mehr hatte er allerdings nicht für Henry getan.
All die quälenden Schuldgefühle stellten sich wieder ein. Henry war ihm schon monatelang auf den Geist gegangen. In den letzten Wochen hatte Ben sich zunehmend von seinem Kollegen distanziert und seinen Chef einen Tag vor Henrys grässlichem Tod um einen neuen Partner gebeten.
Hatte er insgeheim gespürt, dass mit Henry etwas faul war, und die Realität nicht wahrhaben wollen?
Lag da das Problem? Insgeheim machte Ben sich Vorwürfe, dass er die ganzen letzten Monate nie für seinen Freund da gewesen war – nicht nur in jener einen Nacht.
Leise fluchend klickte Ben die Begleitungsservice-Agenturen in El Paso, Texas, an. Er fand ein paar und begann die entsprechenden Einträge abzurufen.
Im Grunde genommen wollte er gar nichts Aufschlussreiches finden. Viel lieber wäre ihm gewesen, wenn die Links in eine Sackgasse geführt hätten, genau wie die anderen Infos. Auf der Suche nach einem Schlüsselhinweis ging er Seite für Seite durch. Er hätte nicht einmal genau sagen können, wonach er eigentlich suchte. Zweifellos würde es ihm plötzlich ins Auge springen. Irgendein Anhaltspunkt, der in seinem Unterbewusstsein schlummerte und den er plötzlich wiedererkennen würde. Und mit jeder Website, die er erfolglos überflog, war er ein Stück mehr erleichtert.
Hartnäckig redete er sich ein, dass Julia sich täuschte.
Oder Todd.
Morales hatte nur irgendwelchen Blödsinn gefaselt.
Henry war bestimmt bei einem misslungenen Drogendeal erschossen worden.
Ben schloss sekundenlang die Augen, doch es half nichts. So tragisch es auch sein mochte, es war ein Unterschied, ob man für eine gute Sache starb oder für die falsche Seite.
Er wollte weiß Gott nichts Verfängliches finden. Doch bei der sechsten Website, auf einer Kontaktseite, richteten sich ihm unwillkürlich die Nackenhaare auf.
Kontaktiere
[email protected] Ben wühlte sich durch die Papierstapel auf dem Schreibtisch, bis er den Ausdruck der E-Mail fand, auf die er in Henrys Dateien gestoßen war. Eine E-Mail von
[email protected] Der Computerspezialist bei der Polizei hatte die Adresse überprüft, aber wie so viele Mailboxen bei Yahgoo nicht weiterverfolgen können. Einer von vielen, der anonym im Internet herumgeisterte.
Ben hatte keinen Beweis, ob
[email protected] etwas mit
[email protected] zu tun hatte, aber immerhin war es ein erster Anhaltspunkt.
Er schickte eine E-Mail an Lionel.
Wieder sprang er auf, lief wütend auf und ab. Er konnte einfach nicht still rumsitzen und abwarten, also beschloss er, Spazel erneut auf den Zahn zu fühlen. Der Kleinkriminelle kannte mehr oder weniger jeden, der Dreck am Stecken hatte.
Als Ben durch die Eingangshalle strebte, klingelte es. Er riss die Tür auf und stand vor einem Blumenlieferanten mit einem Dutzend roter Rosen im Arm.
»Für Julia Boudreaux«, sagte der Typ. »Wenn Sie hier bitte unterschreiben wollen.«
Auf ein leises Oh hin drehte Ben sich um. Julia war in die Halle gekommen. Idiotischerweise wurde ihm eng in der Brust, schließlich hatte Julia einen enormen Männerverschleiß gehabt. Vergiss es, sagte er zu sich selbst, er selbst wäre eben auch nur ein weiterer Durchreisekandidat in ihrem Leben gewesen. Mehr nicht. Zwei Menschen, die Sex miteinander hatten, redete er sich hartnäckig ein.
Ohne ein weiteres Wort verließ er das Haus, sprang in den Rover und raste zu der Bar, in der Spazel meistens herumhing. Es war zwar erst kurz vor Mittag, trotzdem entdeckte Ben ihn gleich beim Eintreten.
Der schmächtige Ganove diskutierte gerade mit drei wenig Vertrauen erweckenden Typen. Vermutlich hielt Spaz sich mit Glücksspielen, Wettgeschäften und kleinen Gaunereien über Wasser.
Spaz beugte sich dicht zu den dreien vor und lachte großspurig. Als er sich wieder aufrichtete und Ben sah, weiteten sich seine braunen Augen, und er stöhnte unwillkürlich, was seiner Großspurigkeit einen Dämpfer versetzte.
Ben trat zu der kleinen Gruppe. Die Männer beobachteten ihn sichtlich nervös und konnten gar nicht schnell genug das Lokal verlassen.
»Eh Mann!«, protestierte Spaz. »Ich verdien mir hier ein paar Mäuse …«
»Halt die Klappe. Was weißt du über einen Typen, der sich Lionel nennt und mit dem Begleitungsservice Luscious Ladies zu tun hat?«
»Luscious Ladies? Sagt mir nichts.«
»Streng deine grauen Zellen mal ein bisschen an, Spaz«, sagte Ben kalt. »Vergiss nicht,