Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
ihn. Ihr Gesicht war höchstens dreißig Zentimeter von Laphams entfernt und sie sah ihm tief in die Augen. »Na klar, in Häuser einzubrechen und die Leute zu beklauen, um sich anschließend von einem widerlichen Schleimscheißer wie dem da rausboxen zu lassen, dazu braucht man richtig Mumm.«
Während Hunt hinter ihr zeterte, außer sich vor Empörung, wandte Lapham nur für einen Sekundenbruchteil den Blick ab. Wahrscheinlich verlor er die Nerven, weil ihr Gesicht so nah vor seinem war.
»In meinen Augen bist du kein harter Mann, Wayne, ganz und gar nicht. Für mich bist du nur ein armseliges, kleines Würstchen, das sein ganzes Leben weggeschmissen hat. Und ein verdammtes Großmaul.«
Sie rückte noch näher an ihn ran. Nur noch wenige Zentimeter trennten sie. »Weißt du überhaupt, wie man richtig zuschlägt, Wayne? Du glaubst bestimmt, dass du dich mit so was auskennst, was? Aber du prügelst sicher einfach drauflos wie die meisten.«
Sie starrte ihn immer noch an und er schaute schließlich weg. Er schob seinen Stuhl leicht zurück und sah seinen sprachlosen Anwalt an. Jessica rührte sich nicht und sprach immer noch mitganz ruhiger Stimme: »Es kommt nicht darauf an, wie hart man zuschlägt, Wayne, sondern wohin. Zum Beispiel kann man jemandem mit einem gezielten Schlag gegen den Hals den Kehlkopf eindrücken. Der andere würde einen solchen Schock erleiden, dass er erst mal gar nicht zurückzuschlagen könnte. Wusstest du auch, dass ein Fausthieb nicht die beste Methode ist, um jemandem die Nase zu brechen?«
Sie rieb sich mit der linken Hand den rechten Handballen, bewegte sich aber sonst nicht. Hunt war wie erstarrt, während sein Mandant verzweifelt um sich blickte. »Wenn man jemanden kampfunfähig machen will, schlägt man ihm am besten mit dem Handballen von unten gegen die Nase. Dann hat er zu dem eingedrückten Kehlkopf auch noch ein zertrümmertes Nasenbein.«
Schließlich wich Jessica ein wenig zurück, aber nur einen halben Schritt. Es herrschte absolute Stille und Hunt stand immer noch bewegungslos da. Lapham stierte wieder Jessica an und wusste nicht, was er sagen sollte. »So ist das, Wayne. Du meinst also, ich gehe so richtig ab? Du kannst es ja mal versuchen.«
Jessica sah, wie ihm eine Schweißperle die Stirn hinunterrann. Sie streckte ihre Hand zu ihm aus. »Fass mich nur einmal an, dann wirst du ja sehen, was passiert.«
A CHTZEHN
Jessica war in der Damentoilette der Wache. Sie sah nach, ob sie allein war, schloss sich in eine Kabine ein und setzte sich auf den Klodeckel. Ihr Herzschlag beruhigte sich jetzt erst so langsam, und es ging ihr richtig mies. Sie fühlte sich langsam unwohl in ihrer Kleidung vom Vortag und hatte das erdrückende Gefühl, gefangen zu sein. Irgendetwas war im Vernehmungsraum über sie gekommen. Sie hatte so etwas noch nie erlebt.
Sie legte das Gesicht in die Hände und schluchzte leise. Sie konnte sich nicht einmal mehr erinnern, was sie zu Wayne Lapham gesagt oder was sie getan hatte. Der Vorfall lag nur fünf Minuten zurück, aber in ihrer Erinnerung sah sie nur noch einzelne Szenen kurz aufblitzen. Es war, als hätte sie sich selbst von einer Ecke des Raums aus beobachtet, wie bei einem außerkörperlichen Erlebnis. Sie erinnerte sich noch, dass Hunt nach einem Polizeibeamten gerufen und gesagt hatte, sie habe »die Kontrolle über sich verloren«. Cole war zurückgekommen und hatte ihr verwirrt nachgeschaut, als sie aus dem Raum gestampft und an dem vor dem Vernehmungsraum wartenden Uniformbeamten vorbei zur Damentoilette gegangen war. An das, was geschehen war, als Cole nicht da war, konnte sie sich nur noch bruchstückweise erinnern.
Was in aller Welt war da nur passiert? Sie konnte sich gar nicht erklären, woher dieser plötzliche Ausbruch kam. Sie hatte noch nie im Leben jemanden so verletzt, wie sie es da geschildert hatte. Man bekam bei der Polizei zwar Grundkenntnisse im Nahkampf vermittelt, aber dabei ging es nicht darum, jemandem richtig schwereVerletzungen beizubringen. Sie hatte sich auch im Internet ein paar Anleitungen angesehen und konnte sich ganz gut verteidigen. Den Tipp, auf Kehlkopf und Nase zu zielen, hatte sie von Harry. Als sie von ihren Gefühlen übermannt worden war, war dies alles offenbar in einem hasserfüllten Redeschwall aus ihr herausgesprudelt. Ihr Auftritt war sicher ungeheuer beeindruckend gewesen, aber so fühlte sie sich gar nicht.
Jessica hörte, wie die Tür der Damentoilette aufging und jemand hereinkam. Sie
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