Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)
Vermittler gestellt hatte. Oder er hatte den Worrall-Prozess verfolgt. Hunt war jedenfalls oft genug in den Medien, dass er in Manchesters Unterwelt bekannt sein musste.
Jessica warf einen kurzen Blick in Carolines Zimmer und sah zwei schlummernde, ineinander verschlungene Körper unter einem Laken. Sie wollte sie nicht stören und verließ das Haus, ohne sich umzuziehen. Sie hatte zwar in dem Kostüm geschlafen, fand aber, für einen Samstag würde es noch gehen.
Als sie die Wache betrat, merkte sie, dass trotz der wenigen Leute, die am Wochenende arbeiteten, geschäftiges Treiben herrschte. Im Eingang standen zwei Beamte herum und sahen auf, als sie zum Empfang ging. Der Sergeant, mit dem sie telefoniert hatte, rief sie rüber und übergab ihr einen Umschlag, auf dem ihr Name stand. »Das hat jemand für dich abgegeben«, sagte er.
Jessica riss den oberen Rand des Umschlags auf und fand darin eine Vorladung. Nachdem der Prozessbeginn sich verschoben hatte, sollte sie am Dienstag vor Gericht erscheinen. Sie würde nicht nur heute mit Peter Hunt konfrontiert sein, sondern in drei Tagen schon wieder. Sie wollte Harry anrufen, aber das hatte noch Zeit. Wahrscheinlich würde er doch nicht drangehen.
»Cole ist schon in seinem Büro«, sagte der Sergeant. »Er hat gesagt, du sollst dich bei ihm melden, wenn du kommst. Der DCI ist auch oben.«
»Dann haben wir ja ein volles Haus.«
Der Sergeant zwinkerte ihr zu. »Wie jeden Tag.«
Jessica ging zuerst zu Cole. Sein Büro lag von ihrem aus zwei Türen weiter, gleich neben der Kantine. Es war kleiner als ihres, er musste es sich aber mit niemandem teilen. Jessica klopfte einmal und ging hinein. Er saß an seinem Schreibtisch und schrieb etwas am Computer, hörte aber auf und sah hoch, als sie hineinkam.
»Hallo«, sagte Jessica.
»Sie wissen es also schon?«
»Dass Hunt da ist? Ja, ich habe einen Anruf bekommen. Gehen wir zusammen rein?«
»Ja, ich habe schon mit dem DCI geredet. Er kocht vor Wut, weil Hunt mitmischt, meint aber, wir sollen ganz gelassen bleiben.«
Jessica deutete ein Lächeln an. »Sind Sie doch sowieso immer.«
»Ich glaube, er hat Sie gemeint.«
Jessica ging in den Vernehmungsraum und machte das Tonbandgerät betriebsbereit, während ihr Vorgesetzter Wayne Lapham und seinen Anwalt aus der Zelle im Untergeschoss holte. Lapham hatte sich zwar freiwillig gestellt, aber da er ihr einziger Verdächtiger in zwei Mordfällen war, war er bis zu Jessicas Ankunft erst einmal in eine Zelle gesteckt worden. Kurze Zeit später wurde er von Cole und einem Uniformbeamten in Handschellen in den Vernehmungsraum gebracht, Peter Hunt an seiner Seite.
Wayne Lapham war klein und hatte breite Schultern. Er sah aus, als hätte er ein hitziges Temperament. Jessica wusste aus seiner Akte, dass er vierzig war, er sah aber älter aus. Er war unrasiert, sein dunkles,leicht angegrautes Haar war millimeterkurz geschoren und auf der Stirn hatte er eine Narbe, die über seinem linken Auge endete. Er trug ein Sweatshirt mit aufgerollten Ärmeln. Seine Arme waren über und über mit den verschiedensten Tätowierungen bedeckt. Jessica bemerkte, dass seine Trainingshose am Knie ein kleines Loch hatte. Peter Hunt hingegen war eine makellose Erscheinung. Er war größer als sein Mandant, überragte ihn in seinem braunen Nadelstreifenanzug, der aussah wie maßgeschneidert. Er trug ein weißes Hemd mit breitem Kragen und eine eng geschnürte, ebenfalls breite braune Krawatte. Sein blondes Haar, das keinerlei Spur von Grau oder Weiß aufwies, war eindrucksvoll gestylt, fast zu einer Art Elvistolle, aber mit angedeutetem Seitenscheitel. Außerdem hatte er einen teuer aussehenden, ledernen Aktenkoffer dabei.
Der Gegensatz zwischen den beiden hätte größer nicht sein können.
Lapham setzte sich und Hunt nahm sich den Stuhl neben ihm. Er stellte den Aktenkoffer neben sich ab und legte einen Notizblock vor sich auf den Tisch. Cole, der am Tonbandgerät saß, schaltete es ein, stellte wie üblich alle Anwesenden vor und machte den Verdächtigen auf seine Rechte aufmerksam. Jessica war stehengeblieben, setzte sich aber schließlich direkt ihrem einzigen Verdächtigen gegenüber.
Die Vernehmung hatte noch nicht begonnen, da sagte Lapham plötzlich: »Sie sind eigentlich ganz hübsch, wissen Sie das?« Er sah Jessica direkt ins Gesicht und zwinkerte ihr zu. Sie bemerkte einen Ohrring in seinem rechten Ohr und eine Tätowierung direkt unter dem Ohrläppchen. Er hatte einen schottischen
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