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Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)

Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)

Titel: Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerry Wilkinson
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sagte: »Gib’s ihm.« Shaun starrte immer noch auf Nigels verrenktes Bein.
    »Lüg mich nicht an, du Missgeburt!«
    Jon sagte: »Scott …«
    Der richtete sich auf und drehte sich zu Jon um. Scott warkleiner als Jon, aber er schritt auf ihn zu, bis nur noch wenige Zentimeter sie trennten. »Was ist?«
    Sie standen im Halbdunkel. Nur wenig Licht fiel durch die Tür hinein, und das einzige Geräusch war Nigels Wimmern. Es war an der Zeit, dass Shaun etwas sagte. Wenn er und Jon zusammenhielten, konnten sie die anderen aufhalten. Er musste nur den Mund aufmachen …

A CHTUNDZWANZIG
    Shaun Hogan weinte, aber nicht leise in sich hinein, sondern er heulte immer wieder laut auf. Die Wärter sahen aus, als wollten sie mit diesem Drama nichts zu tun haben. Sie standen zu weit weg, um Einzelheiten zu hören, aber ihr Geschwätz war verstummt und alle vier beobachteten aufmerksam den Häftling, wahrscheinlich für den Fall, dass seine Traurigkeit in Aggression umschlug. Sein Jammern hallte durch den leeren Besucherraum. Jessica nahm eine Packung Taschentücher aus ihrer Handtasche und schob sie über den Tisch. »Shaun …?«
    »Es tut mir so leid, aber ich habe nichts gesagt.«
    Der Fall Nigel Collins hatte damals Riesenschlagzeilen gemacht und war eine absolute Blamage für die Polizei gewesen. Ein Passant, der mit seinem Hund spazieren war, hatte den Jugendlichen auf einem Fabrikgelände gefunden. Er war komatös und ein Bein, sein Unterkiefer und mehrere Rippen waren gebrochen. Er war so übel zugerichtet worden, dass der Spaziergänger zuerst nicht wusste, ob er überhaupt noch am Leben war. Er konnte nicht einmal erkennen, ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelte.
    Jessica steckte damals noch in Uniform. Die Greater Manchester Police hatte zur Lösung dieses außergewöhnlich brutalen Verbrechens alle verfügbaren Mittel bereitgestellt. Ein Foto des Jungen wurde landesweit auf allen Titelseiten und in jeder Nachrichtensendung gezeigt, denn zuerst musste man die Identität des Opfers feststellen, was zwei Tage in Anspruch nahm.
    Nigel Collins war Waise. Seit seinem elften Lebensjahr, als beide Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, wohnte er in einem Kinderheim am Stadtrand. Die Eltern hatten nur Schulden hinterlassen – und Nigel, der keine weiteren Verwandten hatte, keine Sicherheit und keine Zukunft. Niemand würde einen Elfjährigen adoptieren. Selbst eine Pflegefamilie für einen Jungen kurz vor der Pubertät zu finden war nicht einfach. Das Heim bot ihm zumindest eine Unterkunft, auch wenn er sich nie einfügen konnte, weder dort noch in der Schule.
    Nachdem die Polizei das Opfer identifiziert hatte, verfolgte sie alle möglichen Spuren. Auch frühere Klassenkameraden und ehemalige Bewohner des Kinderheims wurden befragt, aber niemand wusste etwas. Nigel war ein ruhiger Junge und redete nie sehr viel. Er lebte in seiner eigenen Welt, hatte keine Freunde und außer zu den Heimmitarbeitern kaum Kontakt zu anderen Menschen. Er hatte mit sechzehn die Schule beendet, war aber eigentlich noch nicht für die Außenwelt bereit. Die Leute vom Kinderheim hatten ihm eine Bleibe besorgt, aber wie zu erwarten, hatte er allein nicht viel auf die Beine gestellt.
    In den Medien häuften sich Berichte, dass Nigel von anderen Heranwachsenden und selbst von jüngeren Kindern terrorisiert worden war. Angeblich hatte es auf der Straße Übergriffe auf den unbeholfenen Sonderling gegeben, und Eltern mahnten ihre Kinder, sich von Leuten »wie ihm« fernzuhalten. Aber niemand wusste etwas Genaues.
    Als Nigel sein Bewusstsein wiedererlangte, konnte oder wollte er sich an keine Einzelheiten erinnern. Er wusste nicht einmal mehr, dass er angegriffen worden war. Deshalb konnte er auch keine Angreifer nennen. Die Polizei brachte Mitarbeiter aus seinem Kinderheim zu ihm, damit sie versuchten, etwas aus ihm herauszubekommen. Aber auch sie hatten keinen Erfolg. Sie sagten nur, Nigel habe auch früher nicht viel geredet. Einige Polizeibeamte waren der Überzeugung, dass er einfach nicht reden wollte. Aber sicher war niemand.
    Fünf Monate später war der Fall in Vergessenheit geraten. Nigel wurde aus dem Krankenhaus entlassen, und ob absichtlich odernicht, er lieferte der Polizei nicht den geringsten Hinweis, also wurden die Ermittlungen eingestellt. Nur ein weiterer ungelöster Fall. Einer von vielen. Und die Medien hatten sich längst anderen Ereignissen zugewandt.
    Jessica konnte sich noch haargenau an alles

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