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Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)

Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition)

Titel: Eingesperrt - Jessica Daniel ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerry Wilkinson
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erinnern. Sie hatten damals bei den morgendlichen Besprechungen immer wieder die Einzelheiten des Falls erörtert, bis die Ermittlungen nach und nach eingeschlafen waren. Ein Beamter nach dem anderen war abgezogen worden, aber Nigel Collins brutal zerschlagenes Gesicht hatte sie nie vergessen können. Auf den Fotos war er gar nicht mehr als Mensch zu erkennen gewesen. Sein Gesicht war nur eine rohe Masse aus Violett und Schwarz und Blau und Rot gewesen, und alles miteinander vermengt.
    Jessica atmete tief durch. »Ist das ein Geständnis, Shaun? Nigel Collins ist von Mitgliedern Ihrer Bande misshandelt worden?«
    »Ja«, schluchzte er.
    Jessica wusste nicht so recht, wie sie die nächste Frage formulieren sollte, also fragte sie einfach geradeheraus. »Warum erzählen Sie uns das alles jetzt?«
    »Ich weiß nicht. Ich wollte es schon lang jemandem erzählen.«
    »Sie sind sich doch im Klaren darüber, dass alles, was Sie gesagt haben, gegen Sie verwendet werden kann, falls die Ermittlungen in dem Fall wieder aufgenommen werden?«
    »Ja, ich weiß, ich habe es nicht besser verdient«, sagte er ruhig. »Aber deswegen bin ich auch daran schuld, was mit Mum passiert ist.« »Tut mir leid, Shaun, aber das verstehe ich nicht«, sagte Jessica.
    Shaun schniefte noch ein bisschen, hatte aber aufgehört zu schluchzen. Er sprach langsam und besonnen. »Nach der Sache mit Nigel, als sie ihn gefunden hatten und es im Fernsehen kam und so, da konnte ich es nicht für mich behalten. Wir vier haben danach eigentlich nicht mehr viel miteinander zu tun gehabt, aber Scott hat uns allen eingebläut, wir sollten dichthalten. Wir hatten Angst.
Ich
hatte Angst, aber ich habe es meiner Mum erzählt …«
    Langsam verstand Jessica, warum Shaun glaubte, er sei für das Auseinanderbrechen der Familie verantwortlich. Sie sagte nichtsund ließ ihn einfach reden. »Mum ging zwar nicht zur Polizei, aber nichts war mehr so wie vorher. Ich konnte es an ihrem Blick sehen. Sie sah mich ganz anders an. Sie hatte schon angefangen zu trinken, nachdem Dad abgehauen war, aber da hatte sie sich noch im Griff. Aber als ich ihr erzählt habe …«
    Jessica ließ ihm Zeit, sich zu fassen. Er nahm noch ein Taschentuch und schnäuzte sich. »Es war gegen Ende meiner Schulzeit, kurz vor den Prüfungen. Ich wurde die Bilder in meinem Kopf einfach nicht mehr los. Scott hatte uns alle gezwungen mitzumachen. Falls einer von uns was gesagt hätte, wären wir alle dran gewesen. Jon … Jonny, der hat die ganze Zeit geheult. Selbst Jamo wollte nicht mitmachen, als es ernst wurde.
    Mum hat gesagt, wir ziehen weg, sobald ich die Prüfungen hinter mir habe. Es war klar, dass die neue Wohnung zu klein für uns alle war. Aber sie wollte mir damit wohl zu verstehen geben, dass ich unerwünscht war.«
    Jessica nickte. »Und bei Ihrem Besuch hat Ihre Mutter es Ihnen dann gesagt? An dem Tag, an dem Sie später den Mann angegriffen haben?«
    »Ja, mehr oder weniger. Sie hatte schon was getrunken und war allein zu Hause. Es war einfach schrecklich. Em hatte mir erzählt, womit Mum neuerdings ihren Lebensunterhalt verdiente. Und ich habe sie angeschrien. Ich habe gesagt: ›Das kannst du Kim doch nicht antun.‹ Aber hat sie gar nicht zugehört und mich auch angeschrien: ›Und was du verbrochen hast, was ist damit?‹ Das war das erste Mal, dass sie wirklich darauf zu sprechen kam. Sie hat gesagt: ›Es ist alles deine Schuld. Ich kann dir nicht mal mehr ins Gesicht schauen, wegen all dem, was ich dann sehe.‹«
    Jessica wusste nicht, was sie sagen sollte. Bei der Polizei hörte man oft die haarsträubendsten Geschichten, aber diese war wirklich besonders tragisch. Weder Shaun noch seine Mutter kamen dabei gut weg. Und was war mit den Opfern? Was war mit Nigel Collins und der armen Kim? Vielleicht waren Shaun und Claire auch nur Opfer …
    Shaun schniefte wieder. »Ich fühlte mich so schrecklich. Das war das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe. Ich bin zurück nachLeeds gefahren und habe mich einfach volllaufen lassen. Ich kannte den Typen überhaupt nicht, den ich zusammengeschlagen habe. Ich habe seitdem oft darüber nachgedacht. Ich dachte, vielleicht wollte ich ja eingesperrt werden. Vielleicht wollte ich mich selbst bestrafen. Ich weiß auch nicht.«
    Viel gab es dazu nicht mehr zu sagen. Sie würden sein Geständnis an ihre Vorgesetzten weiterleiten. Falls die sich entschieden, die Ermittlungen im Fall Nigel Collins wieder aufzunehmen, müsste Shaun seine Aussage

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