Einklang der Herzen
riefen die Zwillinge gleichzeitig. »Was sind Kobolde?«
»Wollt ihr etwa behaupten, dass ihr noch nie von Kobolden gehört habt?«, fragte sie ungläubig. Die beiden Jungen schüttelten die Köpfe. Adelia verschränkte die Arme vor der Brust. »Nun, eure Bildung hat erhebliche Lücken, Jungs. Es ist traurig, wenn man nichts über das kleine Volk weiß.«
»Erzähl uns davon, Dee«, flehten die beiden und zerrten aufgeregt an ihrer Hand.
»Das werde ich.« Adelia setzte sich auf eine Bank, die beiden Jungen hockten sich zu ihren Füßen auf den Boden. »Nun, Kobolde sind merkwürdige Gesellen. Sie stiften gerne Unruhe. Egal wie alt sie sind, sie werden nur etwa einen Meter groß. Man sagt, sie reiten gerne auf Schafen oder Ziegen. Wenn die Herde am Morgen müde und lustlos ist, dann haben die Kobolde wahrscheinlich keine Lust gehabt, zu Fuß zu gehen. Im Haus stellen sie auch gerne alles Mögliche an. Sie können dafür sorgen, dass das Wasser auf dem Herd zu kochen anfängt, oder sie verhindern, dass es jemals kocht. Oder sie stehlen den Speck oder werfen Möbelstücke durch die Gegend, einfach nur so zum Spaß. Manchmal trinken sie die Milchkannen leer oder die Whiskeyflaschen und füllen sie mit Wasser auf.« Ihre Augen funkelten, während die beiden Jungen gebannt an ihren Lippen hingen. »Einen Kobold zu fangen kann einem Menschen großes Glück und viel Geld bringen. Man kann ihn allerdings nur fangen, wenn er sitzt, und er sitzt eigentlich nie, es sei denn, seine Schuhe gehen kaputt. Er rennt nämlich ständig durch die Gegend und trägt damit seine Schuhe ab, und wenn er unter seinen Fußsohlen den Boden spüren kann, dann hockt er sich hinter eine Hecke oder in hohes Gras und zieht die Schuhe aus, um sie zu flicken. Dann«, sie senkte die Stimme, und die beiden Jungen reckten die Köpfe vor, »kann man sich an ihn heranschleichen, leise wie eine Katze, und ihn sich schnappen.« Sie warf die Arme um einen imaginären Kobold: »Dann muss man rufen: ›Gib mir all dein Gold‹, und der Kobold antwortet: ›Ich habe kein Gold.‹« Sie ließ ihren Gefangenen frei und warf den beiden Jungen ein spitzbübisches Lächeln zu. »In Wahrheit aber gibt es tonnenweise Gold, und der Kobold kann euch verraten, wo es versteckt ist. Aber das wird er freiwillig nicht tun. Manche Leute versuchen, einen Kobold zu würgen oder zu bedrohen, aber wenn man das macht, darf man ihn nicht eine Sekunde aus den Augen lassen. Sonst löst er sich in Luft auf und man sieht ihn nie mehr wieder. Dieser durchtriebene kleine Teufel kennt jede Menge Tricks, um zu verschwinden; er kann sogar die Vögel verzaubern, wenn er mag. Aber wenn ihr ihn nicht aus den Augen lasst, dann gehört das Gold euch.«
»Hast du schon einmal einen Kobold gesehen, Dee?«, fragte Mark begeistert.
»Ein oder zwei Mal.« Sie nickte feierlich. »Aber ich kam nie nah genug heran, bevor er schnell wie der Blitz wieder verschwand.« Sie sprang auf die Füße und fuhr sich durch das zerzauste rote Haar »Und deswegen muss ich für meinen Lebensunterhalt arbeiten, solange ich keinen Kobold finde, der ebenfalls nach Amerika gereist ist.« Sie nahm den Hufkratzer, der die ganze Zeit auf der Bank gelegen hatte. »Und das werde ich jetzt auch tun, sonst fliege ich raus und muss auf der Straße betteln gehen.«
»Das würden wir natürlich niemals zulassen, oder, Jungs?«
Adelia drehte sich erschrocken um und spürte, wie die Röte in ihre Wangen stieg, als sie Travis’ spöttischen Blick auf sich ruhen fühlte. Das Hämmern ihres Herzens schrieb sie ihrer Überraschung zu. Sie musste mehrmals schlucken, bevor sie sprechen konnte.
»Sie machen es sich zur Gewohnheit, sich an andere heranzuschleichen und zu Tode zu erschrecken, Mr. Grant.«
»Vielleicht habe ich Sie mit einem Kobold verwechselt, Dee.« Sein Lächeln ärgerte sie, aber sie wollte sich nicht schon wieder provozieren lassen und beugte sich vor, um Fortunes Huf zu heben.
Travis begleitete die Zwillinge zum neugeborenen Fohlen. Adelia ließ das Bein des Pferdes wieder sinken und sah ihm hinterher.
Warum brachte er ihr Herz immer zum Flattern? Warum begann ihr Puls zu rasen, sobald sie in seine unglaublich blauen Augen sah? Sie schmiegte die Wange an Fortunes kräftigen Hals und seufzte. Ich bin verloren, dachte sie. So sehr sie dagegen angekämpft hatte, sie hatte sich in Travis Grant verliebt. Und das war einfach unmöglich. Aus dem Eigentümer von Royal Meadows und einer unwichtigen Pferdepflegerin
Weitere Kostenlose Bücher