Einladung zum Mord - Reunion in Death (Death 14)
verminderte Schuldfähigkeit plädiert. Wegen eines angeblichen Kindheitstraumas, blablabla. Der Großteil des von ihrem ersten Ehemann geerbten Geldes, der einzigen Kohle, über die sie rechtmäßig verfügen konnte, ging für die Verhandlung, die Anwälte und die Berufung drauf. Das hat sie natürlich ungemein geärgert. Die Verhandlung fand in Chicago statt und ich war bei der Urteilsverkündung dabei. Anschließend hat sie darum gebeten, mich noch mal zu sprechen.«
Sie lehnte sich gegen seinen Schreibtisch, und obwohl ihr Blick auf ihn gerichtet war, wusste Roarke genau, dass sie die Vergangenheit, dass sie Julianna Dunne vor ihrem geistigen Auge sah. »Sie meinte, sie wüsste, dass ich für ihre Verhaftung und Verurteilung verantwortlich gewesen wäre. Die anderen Cops … warte, einen Augenblick«, murmelte sie leise, während in ihrem Inneren die Stimme der Mörderin erklang.
»Die anderen Cops wären nur Männer gewesen, und sie hätte noch nie einen Kampf gegen einen Mann verloren. Mich hingegen würde sie respektieren, ich wäre schließlich eine Frau, und sie würde mich verstehen, denn schließlich machte ich nur meinen Job. Genau wie sie. Sie
war sich völlig sicher, dass letztendlich ich auch sie verstehen würde. Und wenn es so weit wäre, würden wir noch einmal miteinander sprechen, das wüsste sie genau.«
»Was hast du darauf erwidert?«
»Dass sie, wenn es nach mir gegangen wäre, wegen aller drei Morde in den Kahn gewandert wäre und dort bis an ihr Lebensende bliebe. Dass es mir eine Freude wäre, falls ich dazu beigetragen hätte, sie in den Knast zu bringen, aber dass sie, wenn ich die Richterin gewesen wäre, dreimal ›lebenslänglich‹ von mir aufgebrummt bekommen hätte, weniger ganz sicher nicht. Außerdem habe ich noch gesagt, ich würde hoffen, dass sie das letztendlich verstünde, weil es zwischen uns beiden nämlich nichts zu reden gibt.«
»Du hast ihr also unmissverständlich klar gemacht, dass du auf der Gegenseite stehst.«
»Ja, ich schätze, schon. Das hat ihr ganz eindeutig nicht gefallen, aber trotzdem hat sie gelacht und mir erklärt, wenn wir uns das nächste Mal begegnen würden, würde ich die Dinge sicher klarer sehen. Ich dachte, dass der Fall für mich damit erledigt wäre, aber das hat offensichtlich nicht gestimmt. Morgen früh wird mir der Partyservice ihre Unterlagen schicken, aber so lange will ich nicht warten. Kannst du vielleicht kurz in deren Computer gucken, was dort über sie steht?«
»Was ist das für ein Partyservice?«
»Mr Markie.«
»Hervorragende Wahl.« Er erhob sich von der Sessellehne, trat wieder hinter seinen Schreibtisch und nahm erneut vor dem Computer Platz.
»Kann ich in der Zeit das andere Gerät benutzen, das du hier stehen hast?«
»Gerne.« Er machte sich ans Werk.
Während er seiner Arbeit nachging, rief Eve sämtliche Daten über Julianna Dunne auf, überflog den Text, der auf dem Wandbildschirm erschien, lauschte mit halbem Ohr den Hintergrundinformationen, die sie dazu bekam, und studierte gründlich das neueste Foto, das es von der Kriminellen gab. Zum Zeitpunkt der Aufnahme hatte sie die Haare lang getragen. Lang und blond, passend zu ihrem klassischen Gesicht. Die schmal geschwungenen Brauen über ihren von dichten Wimpern gerahmten, gro ßen, blauen Augen waren etwas dunkler als ihre Frisur. Ihr Mund war weich, die Oberlippe vielleicht eine Spur zu voll, die Nase gerade und perfekt. Trotz beinahe einer Dekade hinter Gittern wirkte ihre Haut cremig zart und glatt. Sie sah aus wie eins der Glamour Girls in den alten Filmen, die Roarke so liebte, dachte Eve.
NACH ACHT JAHREN UND SIEBEN MONATEN WURDE SIE AM SIEBZEHNTEN FEBRUAR 2059 WEGEN GUTER FÜHRUNG VORZEITIG AUS DEM DOCKPORTREHABILITATIONSZENTRUM ENTLASSEN. SIE HAT SÄMTLICHE BEWÄHRUNGSAUFLAGEN ERFÜLLT, DIE VORGESCHRIEBENE SECHZIGTÄGIGE ÜBERPRÜFUNG BESTANDEN UND ERHIELT OHNE WEITERE AUFLAGEN AM ACHTZEHNTEN APRIL VOM BEWÄHRUNGSHELFER UND GLEICHZEITIGEN REHABILITA-TIONSBERATER OTTO SHULZ, CHICAGO, DIE OFFIZIELLE BESCHEINIGUNG ÜBER DIE ERFOLGREICHE REHABILITATION. MOMENTANER WOHNSITZ 29, THIRD AVENUE, APARTMENT 605, NEW YORK CITY, NEW YORK.
»Da ist sie inzwischen ausgezogen«, murmelte Eve.
»Deine Daten, Lieutenant«, meinte Roarke und rief das Foto und den Text aus der Personalakte von Markie auf dem zweiten Bildschirm auf.
Sie blickte auf Juliannas verändertes Gesicht. »Sie hat sich die Haare abgeschnitten, sie rot gefärbt, die Augenfarbe
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