Einladung zum Mord - Reunion in Death (Death 14)
der untersten Zaunlatte ab und starrte auf seine Männer und die Pferde. »Es hat eine Zeit gegeben, in der ich ihr allein die Schuld an allem gab. Hat ziemlich lange gedauert, bevor ich auch mir selbst eine Mitschuld eingestehen konnte und halbwegs damit klarkam. Sie war damals fünfzehn, zumindest der Geburtsurkunde nach. Fünfzehn, und ein Mann von über fünfzig hat eindeutig nicht das Recht, sich an einem solchen kleinen Mädchen zu vergreifen. Ein Mann, der eine gute Frau hat, ach verdammt, ein Mann, der irgendeine Frau hat,
hat eindeutig nicht das Recht, ihre Tochter anzurühren. Dafür gibt es keine Entschuldigung.«
»Und trotzdem haben Sie’s getan.«
»Ja.« Er straffte seine breiten Schultern, als laste auf ihnen plötzlich ein unermessliches Gewicht. »Bevor ich Ihnen die Geschichte aus meiner Sicht erzähle, möchte ich vorausschicken, dass das, was ich getan habe, verkehrt war, und dass mir längst bewusst ist, dass die Schuld und die Verantwortung bei mir liegen und nicht allein bei ihr.«
»In Ordnung, Mr Parker. Erzählen Sie mir die Geschichte einfach aus Ihrer Sicht.«
»Sie ist immer durch das Haus geschlichen und hatte kaum was an. Hat sich mir auf den Schoß gesetzt und mich ihren liebsten Dad genannt, nur dass dabei nichts von einer Tochter in ihrer Stimme lag.«
Er biss die Zähne aufeinander und blickte statt auf Eve über sein Land. »Ihr eigener Dad war Frauen gegenüber ziemlich hart, doch das Mädchen hat er angebetet, hat ihre Mama mir erzählt. Julianna konnte keine Fehler machen, und wenn es doch einmal passierte, gab er immer ihrer Mama die Schuld daran. Ich habe diese Frau geliebt. Ich habe meine Frau geliebt«, erklärte er, trat einen Schritt zurück, sah Eve kurz ins Gesicht und wandte sich erneut zum Gehen. »Sie war eine gute Frau, gottesfürchtig, gutmütig und zugleich von einer ungeheuren Kraft. Falls sie einen blinden Flecken hatte, dann betraf er dieses Mädchen. Es hatte einfach das Talent, die Menschen zu blenden.«
»Julianna hat Sie also provoziert.«
»Scheiße. Tut mir Leid. Mit ihren fünfzehn Jahren wusste sie genau, wie man einen Mann um den kleinen
Finger wickelt und wie man alles, was man möchte, auch bekommt. Sie hat etwas in mir geweckt, was nicht gesund gewesen ist. Ich hätte es niemals passieren lassen dürfen. Ich fing an, an sie zu denken und sie auf eine Weise anzusehen, für die ich sicher ewig in der Hölle schmoren werde, falls es die Hölle gibt. Aber ich konnte einfach nichts dagegen tun. Vielleicht wollte ich auch nicht. Ich kann Recht und Unrecht unterscheiden, Lieutenant. Ich kenne die Grenze ganz genau.«
»Und Sie haben diese Grenze überschritten.«
»Allerdings. Eines Abends, als ihre Mama bei einem ihrer Landfrauentreffen war, kam sie in mein Arbeitszimmer und setzte sich auf meinen Schoß. Ich werde keine Einzelheiten erzählen, außer, dass ich sie zu nichts gezwungen habe, verdammt noch mal. Sie war mehr als willig. Aber trotzdem habe ich an jenem Abend eine Grenze überschritten, ein Schritt, der nie mehr ungeschehen zu machen ist.«
»Sie waren mit ihr intim.«
»Das ist richtig. An jenem Abend und danach beinahe drei Jahre lang, so oft ich die Gelegenheit dazu bekam. Sie hat es mir unglaublich leicht gemacht. Hat ihre Mutter dazu überredet, mit ein paar Freundinnen am Wochenende eine Einkaufstour zu machen. Und ich lag währenddessen mit meiner Stieftochter in meinem Ehebett. Ich habe sie geliebt. Gott ist mein Zeuge, ich habe sie auf eine wahrscheinlich kranke Art geliebt. Und ich bildete mir ein, ihr ginge es genauso.«
Er schüttelte den Kopf über seine eigene Idiotie. »Ein Mann in meinem Alter hätte es besser wissen müssen. Aus lauter schlechtem Gewissen gab ich ihr immer wieder Geld. Nur der liebe Gott weiß, wie viel es im Verlauf
dieser drei Jahre insgesamt gewesen ist. Habe ihr Autos gekauft, schicke Kleider, alles, worum sie jemals bat. Ich habe mir gesagt, wir beide gingen fort. Sobald sie alt genug wäre, würden wir ihre Mama verlassen, gingen fort und fingen miteinander ein neues Leben an. Ich war ein hoffnungsloser Narr, aber ich habe gelernt, damit zu leben. Härter war es zu lernen, mit den Sünden zu leben, die ich begangen habe.«
Sie stellte sich vor, wie es gewesen wäre, hätte er während des Prozesses gegen Julianna auf dem Zeugenstuhl gesessen und mit derselben Nüchternheit gesprochen wie in diesem Augenblick. Hätte er so sprechen können, wären die Dinge sicher anders gelaufen, überlegte
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