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Einmal durch die Hölle und zurück

Einmal durch die Hölle und zurück

Titel: Einmal durch die Hölle und zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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was Reggie ihr bezahlt? Es hat schon seinen Reiz, wenn man sich im Zentrum göttlicher Aufmerksamkeit wähnt. Das weiß und genießt jedes Baby. Mensch, ich wünschte, ich könnte so sein wie sie.«
    Ich lache. »Tust du nicht.«
    »Klar doch. In Fantasyland leben und trotzdem morgens zur Arbeit fahren? Wär doch
stark
. Was meinst du, weshalb ich mich so gern betrinke?«
    »Man wird ja wieder nüchtern.«
    »Das ist das Dumme daran.«
    Sie sieht meinen Blick.
    »Was ist?«, fragt sie. »Ich hasse die Wirklichkeit. Jeder hasst sie. Heute sagt dir jeder: ›Vorsicht, wenn Griechen Geschenke anbieten.‹ Aber als Laokoon vor dem Trojanischen Pferd gewarnt hat und von den Schlangen erwürgt wurde, haben sie sich einen Ast gelacht. Und als Kassandra ermordet wurde, sicher auch.«
    »Ist das noch so eine Trojanergeschichte?«
    »Ja.«
    »Dann ist es vielleicht einfach schlecht, das Trojanische Pferd nüchtern zu betrachten.«
    »Und ich komme vielleicht irgendwann auch mal dahinter, warum ich überhaupt mit dir rede.«
    »So oft tust du das ja nicht.«
    »Zum Glück.«
    Sie dreht sich weg. »
Hühnchen Junior
ist auch so eine Story«, meine ich schließlich.
    »Mit traurigem Ausgang?«
    »Weiß ich nicht. Jedenfalls wurde es gerupft.« [64]
    Sie wälzt sich herum und stützt sich auf die Ellenbogen. »Weißt du, was dein Problem ist?«
    Wenn es darauf eine gute Antwort gibt, wüsste ich nicht, welche.
    »Nicht nur, dass du tust, als wäre lustig, was gefährlich ist, sondern als wäre es lustig, klug zu sein. Und das ist nicht so.«
    »Danke …«, sage ich.
    »Sollte kein Kompliment sein. Gute Nacht.«
    Doch ein paar Minuten, nachdem sie sich wieder weggedreht hat, sagt sie: »Wie war der Kuss?«
    »Kein Thema. Lustig aber, dass du eifersüchtig warst.«
    »Ich war nicht eifersüchtig. Ich habe kein Interesse daran, Sarah Palin zu küssen. Nie gehabt. Es sah zum Fürchten aus.«
    »War es auch.«
    Ein Vogel fängt an, über irgendwas zu zetern. Lange kann es nicht mehr sein bis Tagesanbruch.
    Violet sagt: »Nur damit du’s weißt, Rec Bill und ich haben lediglich eine Nacht zusammen verbracht.«
    »Das brauchst du mir nicht zu erzählen.«
    »Wir haben auch nicht miteinander geschlafen. Praktisch die ganze Nacht geredet. Erst nach Sonnenaufgang haben wir uns geküsst.«
    »Ich hab gesagt, du
brauchst
mir davon nichts zu erzählen.«
    »Leck mich. Wir waren in Tsarabanjina.«
    »Ach ja? Tsarabanjina ist spitze.«
    »Meinst du das ernst?«
    »Natürlich nicht. Wo liegt das denn?«
    »
Wer
ist hier eifersüchtig?«
    »Du. Wo liegt es?«
    »Es gehört zu Madagaskar. Vor einem halben Jahr waren wir da. Ich sollte für Rec Bill eine Gesteinsanalyse an einem Fossil vornehmen, an dem er interessiert war.«
    »Das Ding in seiner Empfangshalle?«
    »Hm …«
    »Was ist?«, frage ich.
    »Das ist nicht das eigentliche Fossil. Aber – egal.«
    Egal?
Rettet den Smalltalk!
    »Wie meinst du das?«, frage ich.
    »In der Halle steht ein Gipsabguss wie in Museen üblich.«
    »In Museen stehen keine echten Fossilien?«
    »Nicht, wenn es sich um ganze Skelette handelt. Dazu müsste man die Teile durchbohren, und sie wären zu schwer. Echte Fossilien sind in Stein eingeschlossener Stein. Aber hör mir doch zu. Es war der romantischste Ort auf Erden. Wir hatten Balkone mit Blick aufs Meer, von da aus sahen wir uns, und er lud mich ein. Wir haben uns zugeschüttet und uns unterhalten.«
    Toll. Mein postapokalyptischer Traum von Violet Hurst ist wahr geworden. Für Rec Bill.
    »Am Morgen haben wir ein bisschen geknutscht, dann bin ich auf mein Zimmer und hab geschlafen. Seitdem war nichts mehr.«
    »Okay«, sage ich. Auch gleichmütig klingt bitter, aber was soll ich machen – sie abklatschen?
    »Habe ihn überhaupt kaum noch gesehen seither. Ein paarmal waren wir essen, und es war einfach krampfig. Er lädt mich zu Stiftungsveranstaltungen ein, aber wenn ich hinkomme, redet er nicht mal mit mir.«
    »Reizend.«
    »Wenn er dann zu Hause ist, ruft er mich an. Und wir reden zwei Stunden.«
    »Worüber denn? Vielleicht solltest du’s ihm in Rechnung stellen.«
    »Bitte. Nicht vulgär werden.«
    »Als Therapiegespräche, meinte ich.«
    »Egal. Er bestimmt, worüber wir reden. Artikel, die er mir auf der Arbeit hat zukommen lassen. Anfangs habe ich mir die genau angesehen, weil ich dachte, er will mir damit irgendwas sagen, aber ich glaube, er braucht nur jemanden, mit dem er reden kann.«
    »Bist du denn auch sicher, dass du ihn an der

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