Einmal gebissen, total hingerissen
tot bin.«
Jareth reißt den Kopf zur Seite, um mich anzusehen.
»Was?«, ruft er. »Wovon sprichst du?«
Ich berühre meinen Hals. Der Biss ist inzwischen verschorft und fühlt sich sogar krank und unangenehm an. »Maverick hat mich gebissen«, erkläre ich. »Und dann hat er den Virus in die Wunde gegeben. Er sagt, ich werde in einigen Tagen sterben. Genau wie all die anderen Spender.«
Selbst in der Dunkelheit kann ich Jareths entsetztes Gesicht sehen. »Raynie!«, ruft er und seine Stimme bricht. Er legt die Arme um mich und drückt mich mit beinahe genauso viel Kraft wie Francis an sich. Aber diese Umarmung ist aus Verzweiflung geboren. »Oh, mein Liebling, nein!«, murmelt er. »Ich will dich nicht verlieren.«
»Ja, hm, genau genommen will ich auch nicht verloren
gehen«, antworte ich trocken.
Jareth löst sich von mir und in seine schönen grünen Augen tritt ein harter, wütender Ausdruck. »Hör auf, dich hinter Witzen zu verschanzen«, sagt er. »Das ist ernst. Wir müssen etwas tun.«
»Was?», frage ich. »Es gibt kein Gegenmittel. Stell dich den Tatsachen. In zwei bis drei Tagen werde ich die Radieschen von unten betrachten.« Ich weiß, ich benehme mich wie ein Miststück, aber aus irgendeinem Grund kann ich nicht dagegen an.
Jareth seufzt und zieht mich in den Sand hinunter. Einen Moment lang sitzen wir da, ohne zu sprechen. »Du kannst so kalt und hart sein«, sagt er schließlich. »Und du setzt immer eine tapfere Miene auf, damit andere deine Angst nicht sehen. Deine Verletzbarkeit.«
»Vielleicht will ich nicht, dass andere meine Angst und meine Verletzbarkeit sehen. Ich meine, es sind meine Angst und meine Verletzbarkeit, stimmt's? Wenn ich sie für mich behalten will, dann ist das meine Angelegenheit.« Ich trete in den Sand. »Außerdem ist es nicht so, als wärst du selbst direkt Mr Öffne-dich-den-anderen.«
»Du hast recht«, sagt Jareth und starrt aufs Meer hinaus.
»Du und ich, wir sind uns in vieler Hinsicht ähnlich. Wir haben beide in der Vergangenheit Schmerz erfahren, was dazu geführt hat, dass wir auf uns selbst vertrauen in nicht auf andere. Aber lass dir eins gesagt sein, Rayne, von jemandem, der es seit Hunderten von Jahren tut: Es ist
keine schöne Art zu leben. Und es wird niemals weniger
einsam.« Er stößt einen tiefen Seufzer aus, legt sich in den Sand und blickt zu den Sternen auf. »Ich habe dir nie erzählt, warum ich keine Blutsgefährtin will.«
Ich drehe mich überrascht zu ihm um. Das hatte ich nicht erwartet. Ist er endlich bereit, sein tiefes dunkles Geheimnis auszuplaudern?
»Nein«, erwidere ich langsam. »Das hast du nie getan.«
Jareth verfällt in Schweigen. Zuerst bin ich mir fast sicher, dass er nicht sprechen wird - dass er seine Meinung bereits wieder geändert hat. Aber dann öffnet er den Mund.
»Die meisten Vampire werden einzeln verwandelt«, erklärt er.
»Aber in meinem Fall waren alle Mitglieder meiner Familie Vampire.«
»Wirklich?«, frage ich. »Cool.«
»Ja«, stimmt er mir zu. »Es ist so, meine Eltern, mein
Bruder und meine Schwester und ich haben während der
Pest als Bauern in England gelebt. Eine schreckliche Zeit.
All unsere Nachbarn starben. Die Gräber waren voll. Du
kannst dir den Gestank der Leichen, die einfach in den
Straßen verfaulten, nicht vorstellen, den Gestank des
Schwefels von den Verbrennungen. Wir beteten zu Gott,
dass er uns retten möge. Dass er unser Leben verschonen möge. Nun, Gott hat an jenem Tag einen finsteren Boten geschickt.
Der Vampir Runez war gekommen, um von den Kranken zu
trinken. Vampire konnten sich nicht mit Pest anstecken, daher wurde das pestverseuchte England zu einem guten Ort, um sich zu ernähren, ohne jemanden zu verletzen.
Damals hatten wir noch keine Spender«, fährt Jareth fort.
»Runez stieß auf meine Familie, als wir uns in unserer
kleinen Hütte zusammenkauerten. Erschöpft, hungrig und
verängstigt. Aber nicht krank. Er wusste, dass wir uns bald anstecken und einen schrecklichen Tod sterben würden. Ich war achtzehn. Meine kleine Schwester war zehn und mein kleiner Bruder erst vier. Der Vampir hatte Mitleid mit uns und ließ uns die Wahl. Unsterbliches Leben oder den sicheren Tod.« Jareth lächelt. »Du kannst dir natürlich denken, wofür wir uns entschieden haben?«
»Also hat er euch alle verwandelt? Verstößt das nicht gegen die Regeln?« Nach allem, was ich gelesen habe, dürfen Vampire während ihres Lebens nur eine einzige Person
verwandeln. Auf
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