Einmal rund ums Glück
Schminktäschchen und wühlt darin herum, bis sie meinen burgunderroten Lippenstift findet und ihn aufträgt. Zu meiner olivbraunen Haut passt er gut, aber zu Hollys blassem Teint wirkt er zu hart. Das sage ich ihr.
»Schwachsinn!«, ruft sie und wischt die Farbe mit dem Handrücken ab. Dann versucht sie, die entstandene Schmiererei mit Seife abzuwaschen.
»Hier, nimm das!« Ich gebe ihr mein farbloses Lipgloss, und sie trägt es stattdessen auf. Anschließend spitzt sie die Lippen. »Viel besser«, behaupte ich. Sie stopft alle Utensilien in mein Täschchen zurück und zerrt mich aus der Damentoilette.
Die Brücke ist überfüllt mit Zuschauern. Wir hasten an ihnen vorbei zu den Boxen. Die Balkone entlang der Strecke quellen über vor nobel gekleideten Anzugträgern und Prominenten mit XXL -Sonnenbrillen, die ein Sonnenbad nehmen. Monte Carlo ist eine wunderschöne Stadt, und heute ist ein herrlicher Tag, kaum eine Wolke am Himmel. Ich kann gut verstehen, warum Will hier gerne wohnen würde. Für den Bruchteil einer Sekunde stelle ich mir vor, mit ihm auf einem dieser Balkone zu sitzen. Sofort schelte ich mich für diese Phantasie.
Die Garagen sind so gut wie leer, als wir eintreffen. Die Wagen sind bereits auf dem Startfeld, die meisten Mechaniker draußen. Holly und ich gehen zur Boxenmauer.
»Komm, wir gehen zur Start- und Ziellinie«, schlägt sie vor. »Mal sehen, wen wir entdecken.«
Sie steigt über die Mauer in die Menschenmenge, ich folge ihr.
»Guck mal, da ist Prinz Albert!«, sagt sie und zeigt auf einen Mann, der von wichtig wirkenden Menschen umgeben ist. »Und angeblich soll Brad Pitt auch hier sein!« Holly stößt mich an.
»Echt?«, staune ich. Ich habe ihn mal auf einer Filmpremiere kennengelernt, die ich mit einer bestimmten Person besuchte …
»Johnny Jefferson!«, kreischt Holly.
Ich habe das Gefühl, als würde die Welt über mich hereinbrechen. Ich erkenne ihn sofort, Holly bräuchte gar nicht mit dem Finger auf ihn zeigen. Er wird von Kameraleuten umringt und trägt eine dunkle Sonnenbrille, so dass ich seine durchdringenden grünen Augen nicht sehen kann, doch sein schmutzigblondes Haar würde ich auch aus einer Meile Entfernung erkennen.
Holly hüpft fast vor Begeisterung. »Komm, wir laufen ihm nach!« Sie zupft an meinem Shirt.
»Nee, nein.« Ich mache mich los. Sie sieht mich verwundert an.
»Was ist denn los mit dir? Du hast doch nicht schon wieder so einen komischen Anfall, oder?«
»Ich glaube doch.«
»Daisy!« Sie ist enorm enttäuscht.
»Wir sehen uns später in den Garagen«, bringe ich gerade noch hervor. Ich warte ihre Antwort nicht ab, sondern gehe einfach. Sekunden später legt mir jemand die Hand auf den Rücken, und als ich mich umdrehe, steht Luis vor mir. Er macht ein besorgtes Gesicht, und ich weiß, dass auch er Johnny gesehen hat.
»Luis, können wir Sie mal kurz sprechen?«, unterbricht uns ein Mann mit einem Kamerateam.
»In einer Minute.« Luis hält die Hand hoch, um den Reporter aufzuhalten.
»Nein, mach ruhig«, dränge ich ihn verlegen.
Er schaut mir nach, als ich in die relative Sicherheit der Garagen verschwinde. Ich beschäftige mich damit, das kleine Büfett im hinteren Teil aufzuräumen, und versuche dabei, die Tränen zurückzuhalten.
Ich habe Johnnys letzte persönliche Assistentin einmal gesehen. Das war in Soho, in London. Sie ging mit einem dunkelhaarigen Mann und einem Baby im Kinderwagen die Old Compton Street hinunter. Den Mann kannte ich: Es war Johnnys bester Freund Christian – er war immer nett zu mir –, doch das Mädchen konnte ich zuerst nicht unterbringen. Ich war mir unschlüssig, ob ich Christian grüßen sollte, doch dann dämmerte es mir, wen er da begleitete, und ich war so schockiert, dass ich nichts anderes tun konnte, als mich in einem dunklen Hauseingang zu verstecken und die beiden vorbeigehen zu lassen. Sie machten einen glücklichen Eindruck, wie ein Pärchen. Ich warf einen kurzen Blick auf den kleinen Jungen im Kinderwagen, und er schaute mich an. Er hatte blondes Haar, wie seine Mutter, aber seine Augen waren so grün wie die von Johnny.
Ob er wohl weiß, dass er ein Kind hat?
Danach las ich zwanghaft alle Zeitschriften, die ich in die Finger bekommen konnte. Doch nirgends stand, dass Johnny einen Sohn bekommen hätte. Das war der Moment, als ich mir vornahm, mich nicht mehr von der Klatschpresse tyrannisieren zu lassen. Seitdem habe ich nichts mehr gelesen.
Jetzt verspüre ich den unbändigen
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