Einmal scheint die Sonne wieder
du böse Königin, du wirst den Prinzen niemals heiraten“ (Pause für Rollenwechsel). Joan: „Betty, hast du vielleicht gewußt, daß der Regenwurm sieben Jahre alt wird?“
Als es Dezember wurde, war ich auf die andere Seite des Flurs in eine Zweibettkammer verlegt worden, hatte eine Stunde Lesezeit, der Pneumothorax wurde nur noch einmal in der Woche gefüllt und ich fror mehr als je vorher. Unsere Bettpfannen und Wassergläser froren jede Nacht zu, und sogar zu den Mahlzeiten trugen wir wollene Fausthandschuhe und Wollmützen. Meine neue Zimmergenossin, Eleanor Merton, war ein Musterexemplar von Patientin und auf Schweigen gesetzt. Mit jemand, der vierundzwanzig Stunden am Tag einen guten Meter von mir entfernt lag, war ich also so gut wie allein.
In der Kammer neben mir, von meinem Bett nur durch die dünne Sperrholzwand getrennt, lag eine Frau, die wie ein Skunk stank und wie ein bellender Hund hustete – „haha, hao, hao, hao, hau, hau, haaoooo, huh!“ – Tag und Nacht. Man sagte ihr nie, daß „Patienten ihren Husten unterdrücken können – ein Husten läßt sich unterdrücken“, woraus ich schloß, daß sie entweder im Sterben lag oder mit einer halben Aktie an der Anstalt beteiligt war.
Eleanor erklärte mir in ihrer liebenswürdigen Art, daß der Bellende Hund nichts für seinen Husten könne und daß die Loslösungs-Operation bei ihr mißlungen sei. Das erklärte zwar den Husten, nicht aber den beißenden Skunkgeruch, der jedesmal, wenn sie sich bewegte, wie Rauch von einem Kartoffelfeuer aufstieg und sich ausbreitete.
Am ersten Dezember kannte ich außerdem die ganze Routine der Bettlägerigen-Abteilung auswendig und wußte genau, was in jeder Minute eines jeden Tages geschah. Dadurch rückte die Zeit so langsam weiter wie ein Gletscher, und ich wurde noch unruhiger und schnurriger. Dinge, die ich hinzunehmen gelernt hatte als einen Bestandteil meines Anstaltsdaseins, wurden mir plötzlich unerträglich, und ich muß beschämt gestehen, daß ich mich ständig über irgend etwas zu beklagen begann, schließlich kleine vage Schmerzen und Wehs erfand, über die ich am Morgen und am Abend der geduldigen Oberschwester eifrig berichtete, die mir mit vielsagenden Blicken antwortete und mir Aspirin gab.
Der größte Stein des Anstoßes war natürlich meine Zimmergenossin, die immer so unverschämt glücklich war, sich so ausgezeichnet angepaßt hatte. Sie liebte die Anstalt, und die Anstalt liebte sie. Sie liebte alle Schwestern, und alle Schwestern liebten sie. Sie liebte alle anderen Patienten, und alle anderen Patienten, bis auf eine, liebten sie. Die eine pflegte in den langen, dunklen, kalten Winternächten wach zu liegen und erwartungsvoll zu lauschen, ob ihr Atem aussetzte.
Eines Abends lautete der Spruch auf meinem Tablett: „Wagen wir uns die Frage zu stellen, wieviel von der uns umgebenden Dunkelheit wohl aus uns selbst kommt?“ Die verantwortliche Redakteurin für erhebende Gedanken war nicht nur Miß Bartlett von Bartletts „Geflügelten Worten“, sie war eine Psychologin.
Am 12. Dezember mußte Kimi zur Untersuchung und durfte drei Stunden aufstehen; Sheila wurde in die Ambulanten-Abteilung versetzt, und Eileen hatte einen Blutsturz. Molly Hastings brachte mir die Nachricht und machte sich große Sorge um Eileen. Sie erzählte, daß man Eileen seit Wochen im Verdacht gehabt hätte, daß sie ihr Thermometer herunterschüttele und ihren Husten verschweige, und daß der Blutsturz heftig gewesen sei und ein schlimmes Zeichen wäre. Sie fügte hinzu, daß Eileen nicht wiederzuerkennen, daß sie mürrisch und still sei und allen Mut verloren zu haben schiene. Ich sagte erregt: „Das kommt daher, daß sie allein ist. Es ist schrecklich, allein zu liegen. Sie wissen doch, wie es mir dabei ergangen ist.“ Molly meinte: „Aber jetzt sind Sie doch nicht mehr allein,“ und lächelte Eleanor zu, die ein musterhaftes Gesicht machte und zurücklächelte. Ich sagte: „Warum legt man Eileen nicht zu mir? Ich würde sie bestimmt dazu kriegen, daß sie gesund werden will.“ Molly war wenig begeistert. „Keine von Ihnen würde gesund werden, und vermutlich würde man Sie beide rauswerfen. Bei der Tuberkulose ist jeder auf sich angewiesen.“
Wie dem auch sein mochte, ich schrieb Eileen einen langen und sicher wenig überzeugenden Brief, in dem ich ihr erzählte, daß Kimi aufstehen dürfe, und wie amüsant es sein würde, wenn wir erst alle in der Ambulanten-Abteilung wären. Ich bekam zwar
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