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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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von Eileen, die nicht schreiben durfte, keine Antwort, aber ein paar Zeilen von Minna, die auf schwarzgerändertes Papier gehört hätten. Minna berichtete, daß ihr Pneumothorax nicht erfolgreich gewesen sei, was sie ja vorher gewußt hätte, daß sie für eine Thorakoplastik vornotiert sei, sich aber wenig davon verspräche, weil sie doch so klein und zierlich sei und die Ärzte so untüchtig wären. Dann erzählte sie von Eileens Blutsturz. „Ich wußte, daß es eines Tages kommen würde. Eileen wollte sich nicht vorsehen, sie wollte den Schwestern nicht gehorchen. Jetzt muß sie mit Sandsäcken und Eispackungen auf der Brust liegen, aber ich vermute, das ist das Ende.“
    Auch von Kimi hatte ich Nachricht. Sie schrieb: „Ich war zur Untersuchung und darf drei Stunden aufstehen, aber ich kann mich nicht freuen, weil Eileen so krank und der böse Sansmann (sie meinte sicherlich Sensenmann) so nah ist. Der einzige Lichtblick in einer langen Folge von dunklen, kalten Tagen ist, daß man meine frühere Zimmergenossin auf die Veranda verlegt hat und Pixie Josclyn hier in mein Zimmer. Pixie ist klein und jung, erinnert in ihrer Art an Eileen und hat lange rote Nägel. Sie war Tänzerin in einem Nachtklub und ißt wie ein Spatz, weil sie Angst hat, ihre Figur zu verderben. Eine Erbse, eine Brotkrume, einen Fingerhut voll Tee, dann ist sie schon zum Platzen voll, während ich ihr wie ein Riesenbagger gegenübersitze und Berge von Essen vertilge. Ich bekomme auch Beschäftigungstherapie… eine halbe Stunde am Tag. Die Beschäftigungstherapie-Lehrerin will, daß ich häkele. Sie sagt, das löst die Spannung. Ich habe eine dreieinhalb Meter lange Kette gemacht. Die ist vor lauter gelöster Spannung ganz knotig und schmutzig von Schweiß. Den werd ich viel eher los, finde ich, als die Spannung. ,Wozu ist diese Kette zu gebrauchen‘ frage ich die Lehrerin, aber sie weicht der Antwort aus und hilft Pixie bei einem riesigen Schulterkragen, den sie mit dem Schiffchen macht. Als ich Pixie frage, was sie mit dem Kragen anfangen will, wo so was seit etwa 1923 unmodern ist, antwortet sie mir, daß ihr der Zweck ganz gleich ist, sie hält sich nur an das Muster. Als ich ihr gesagt habe, daß sie doch ein Tischtuch daraus machen könnte, wenn sie das große Loch in der Mitte ausfüllt, hat sie geantwortet, ich soll sehen, daß meine Spannung sich löst, und sie will ihre loswerden.“
    In jener Nacht erwachte ich nach wirren Träumen, in denen mir Sanatorien, Spatzen und der Tod mit einem großen Schulterkragen erschienen. Es war noch früh und kalt, und dunkle Stille lag über der Station. Ich habe den Fichtenhain in der Nacht immer gehaßt. Dann fühlte man sich dort so richtig wie im Krankenhaus, wo alles geschehen, jeder sterben konnte. Mein Schlafanzug und drei Wolljacken lagen als klumpige, störende Masse unter meinen Rippen, und so versuchte ich, sie glatt zu ziehen. Ich bewegte mich langsam und vorsichtig, aber die Papierdecke benahm sich sofort wie ein rachsüchtiges, lebendiges Wesen und knatterte und knisterte wie ein frisch angezündetes Feuer.
    Der Bellende Hund begann zu husten, und der Husten schoß aus ihr heraus wie Kugeln aus einer Feuerwerksrakete. Sie hustete zweiundzwanzigmal, trank dann Wasser und stellte das Glas klirrend auf den Nachttisch zurück. Die Frau ihr gegenüber hustete, trank Wasser und hustete wieder. Dann war alles still. Alle schliefen, und hin und wieder hörte man undeutlich ein leise surrendes Schnarchen. Mein rechtes Bein krampfte sich zusammen, und ich mußte mich schnell umdrehen. Als ich mich bewegte, knatterte die Papierdecke los, weckte den Bellenden Hund, der zu husten anfing, wodurch die Zimmergenossin gestört wurde, die wiederum die Frau gegenüber aufweckte. Schließlich schien alles wach zu sein, und den ganzen Gang entlang setzte das Husten ein. Es war wie ein Stafettenlauf. Ein verbissener, gräßlicher Wettlauf, bei dem der Tod die Stafetten in der Hand hatte. Ich stellte mir vor, wie Eileen frierend allein lag, mit den Sandsäcken auf der Brust. Sylvia hatte erzählt, daß ein Blutsturz sehr grausig sei. Daß das Blut hellrot und schaumig wäre.
    Irgend jemand klopfte auf seinen Nachttisch. Damit konnten wir die Schwestern rufen; aber außer in dringenden Fällen wurde es nie gemacht, besonders nachts nicht. Es klopfte weiter, klink, klink, klink, klink. Die Schwester kam nicht. Ich konnte hören, wie sie im Büro telephonierte. Die Fahrstuhltür fiel zu. Es klopfte weiter,

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