Eins, zwei, drei und du bist frei
Mo. Ich habe als Kind viel Zeit in seinem Laden verbracht.«
Der Morgen zog spät unter einer öden Wolkendecke herauf, die nach Farbe und Struktur eher einer Betonschicht glich. Ich aß die Pizzareste zum Frühstück und fütterte Rex gerade mit Cheerios und Rosinen, als das Telefon klingelte.
»Ist das ein versauter Morgen«, sagte Lula. »Und es wird mit jeder Sekunde schlimmer.«
»Meinst du das Wetter?« fragte ich.
»Das auch. Aber eigentlich meine ich die menschliche Natur. Es gibt da ein aktuelles Problem. Jackie hat sich auf diesem geleckten Parkplatz eingenistet und will ihren Kerl in flagranti erwischen. Ich habe ihr gesagt, sie soll nach Hause gehen, aber sie hört nicht auf mich. Ich habe ihr auch gesagt, wahrscheinlich wäre er sowieso nicht da. Was sollte er schon mit einer Frau anfangen, die sich eine Wohnung in so einem Haus leisten kann? Den Scheißkerl haben sie alle gemacht. Sie sollte lieber in den Müllcontainern nach ihm suchen. Aber da bin ich bei ihr auf taube Ohren gestoßen.«
»Und?«
»Ich habe mir gedacht, du könntest ja mal mit ihr reden. Sie friert sich da draußen noch einen ab. Sie ist die ganze Nacht über da gewesen.«
»Wieso meinst du, sie würde auf mich hören?«
»Du könntest ihr sagen, du würdest ihn überwachen lassen und daß sie sich deswegen nicht einzumischen braucht.«
»Da müßte ich lügen.«
»Na und? Hast du noch nie gelogen?«
»Na gut«, sagte ich. »Mal sehen, was sich machen läßt.«
Eine halbe Stunde später fuhr ich mit meinem Buick auf den Parkplatz der River Edge Apartments. Jackie saß tatsächlich da, in ihrem Chrysler. Ich stellte meinen Wagen hinter ihrem ab, stieg aus und klopfte an ihre Fensterscheibe.
»Ja?« sagte Jackie zur Begrüßung, nicht gerade hocherfreut.
»Was machen Sie hier?«
»Ich warte darauf, daß dieser gemeine Autodieb endlich rauskommt, und dann schieß ich ihm ein Loch in den Bauch, daß er seinen Kopf durchstecken kann.«
Ich verstehe nicht viel von Waffen, aber die Kanone, die neben Jackie auf dem Beifahrersitz lag, sah so aus, als könnte sie die Drohung wahrmachen.
»Gute Idee«, sagte ich, »aber Sie sehen ziemlich durchgefroren aus. Was halten Sie davon, wenn ich Sie mal ablöse bei der Überwachung?«
»Vielen Dank für das Angebot. Aber Sie haben den Kerl schon für mich gefunden, jetzt will ich ihn wenigstens umlegen.«
»Das sehe ich ein. Ich dachte nur, es wäre beser, wenn man damit wartet, bis es etwas wärmer ist. Schließlich will man nichts überstürzen. Ist doch sinnlos, hier rumzusitzen und sich zu erkälten, nur weil man einen Kerl umlegen will.«
»Stimmt, aber ich will ihn jetzt umlegen. Ich habe keine Lust zu warten. Außerdem mache ich heute sowieso keinen Umsatz, bei dem Wetter. An so einem Tag lassen doch nur Verrückte ihr Öl wechseln, und auf perverses Zeug kann ich gut und gerne verzichten. Da kann ich es mir auch gleich hier gemütlich machen. Besser, als mich an meiner Ecke rumzudrücken.«
Da hatte sie recht.
»Wie Sie meinen«, sagte ich. »Seien Sie vorsichtig.«
»Hnh«, sagte Jackie.
Ich fuhr zum Büro und sagte Lula, daß Jackie sich auf die Belagerung versteift hätte.
»Hnh«, sagte Lula.
Vinnie kam aus seinem Büro gestürmt.
»Und?« fragte er.
Wir sahen ihn verständnislos an. Was – und?
Vinnie schoß sich auf mich ein. »Wo ist Mo? Wieso sitzt Mo nicht in Untersuchungshaft? Es kann doch nicht so schwer sein, einen alten Mann zu fangen, der Süßigkeiten verkauft.«
»Mo ist ausgeflogen«, sagte ich. »Vorübergehend von der Bildfläche verschwunden.«
»Und wo hast du überall nach ihm gesucht, wenn ich fragen darf? Warst du in seiner Wohnung? Bei seiner Schwester? Bei seinem Liebhaber?«
Im Büro wurde es plötzlich still.
Ich fand meine Stimme als erste wieder. »Was für ein Liebhaber?«
Vinnie lachte. Die gleichmäßigen Zähne leuchteten weiß in seinem gebräunten Gesicht. »Habt ihr das nicht gewußt?«
»Meine Güte«, sagte Connie und bekreuzigte sich. »Ach, du meine Güte.«
Mir drehte sich alles. »Ist das dein Ernst?« fragte ich Vinnie, als würde ich auch nur für den Bruchteil einer Sekunde an Vinnies Fachwissen über abweichendes Sexualverhalten zweifeln.
»Moses Bedemier ist eine bekennende Tunte«, verkündete Vinnie mit einem breiten Lächeln im Gesicht, die Hände tief in den Taschen seiner Bügelfaltenhosen vergraben und mit Münzen spielend. »Moses Bedemier trägt gern Damenunterwäsche.«
Vincent Plum, Kautionsbürge.
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