Eins, zwei, drei und du bist frei
Fäuste in die Hüften. »Weißt du überhaupt irgend etwas?«
»Ich weiß nur, daß ich die Tür reparieren muß«, sagte Shirlene. »Und ihr steht hier rum und stehlt mir meine Zeit.«
Lula betrat die Wohnung. »Es macht dir doch nichts aus, wenn ich mich mal ein bißchen umsehe, oder?«
Shirlene erwiderte nichts. Wir beide wußten, daß nur eine Halbautomatik Kaliber 12 sie daran hindern konnte, sich mal ein bißchen umzusehen.
Lula tauchte für einen Moment in dem hinteren Zimmer unter. »Du hast recht«, sagte sie zu Shirlene. »Er ist weg. Hat er irgendwelche Klamotten mitgenommen? Ich meine, wird er lange wegbleiben?«
»Er hat seine Sporttasche mitgenommen, und was da drin ist, kannst du dir ja vorstellen.«
Ich sah zu Lula hinüber und runzelte fragend die Stirn.
Lula hielt ihre Hand wie eine Waffe und zielte auf mich.
»Ach so«, sagte ich.
»Meine Zeit ist kostbar«, sagte Lula zu Shirlene. »Was soll das von dem Kerl, mich so zu schikanieren? Glaubt er, ich hätte nichts Besseres zu tun, als Treppen zu steigen?«
Ich gab Shirlene meine Karte, und Lula und ich stapften die Treppe runter, wobei Lula ununterbrochen schimpfte.
»Treppen rauf, Treppen runter, Treppen rauf, Treppen runter«, sagte sie. »Leroy soll sich bloß nicht einbilden, er käme mir ungeschoren davon, wenn ich ihn einhole.«
Unten auf der Straße angelangt, fand ich es gar nicht so schlimm, daß ich keine Festnahme gemacht hatte. Eine Festnahme hätte einen Gang auf die Polizeiwache bedeutet, und die Polizeiwache war nun wirklich der letzte Ort, den ich gegenwärtig aufsuchen wollte.
»Wir könnten ein paar Kneipen abklappern«, schlug ich ohne jede Begeisterung vor.
»Die Schlange hängt um diese Zeit nicht in Kneipen rum«, sagte Lula. »Viel eher treibt er sich auf Schulhöfen rum und überwacht sein Verkaufspersonal.«
Das war immerhin ein Ansatzpunkt »Also gut. Fahren wir eben ein paar Schulen ab.«
Eine Stunde später kannten wir alle Schulen und hatten die Schlange immer noch nicht aufgespürt.
»Hast du noch eine Idee?« fragte ich Lula.
»Welcher Name steht auf der Kautionsvereinbarung?«
»Shirlene.«
»Sonst keiner? Auch nicht seine Mutter?«
»Nein. Nur Shirlene.«
»Komisch«, sagte Lula. »Normalerweise treibt sich ein Kerl wie die Schlange sonst immer draußen auf der Straße rum. Selbst bei so einem Wetter wie heute würde es ihn nach draußen ziehen.« Sie fuhr im Schrittempo die Stark Street entlang. »Keiner zu sehen heute. Nicht ein einziger, den man fragen könnte.«
Wir fuhren an Jackies Straßenecke vorbei, aber ihr Platz war auch leer.
»Vielleicht hat sie gerade einen Kunden«, sagte Lula.
Lula schüttelte den Kopf. »Ne ne, die hat heute keine Kunden. Die sitzt in ihrem Wagen auf dem Parkplatz und wartet auf ihren Alten. Möchte ich für wetten.«
Lula fuhr einmal um mein Haus herum, während ich nach Morelli Ausschau hielt. Ich konnte sein Auto nirgendwo erkennen, auch sonst nichts, das entfernt an einen Polizisten oder einen Polizeiwagen erinnerte. Ich bat Lula, mich vor dem Vordereingang abzusetzen. Vorsichtig betrat ich die Eingangshalle, noch nicht ganz überzeugt davon, daß Morelli verschwunden war. Ich überschaute die Halle mit einem Blick und durchquerte sie dann zielstrebig bis zur Treppe. Bis hierher hatte ich es geschafft. Ich schlich die Treppe hoch, stieß die Tür zum ersten Stock auf, lugte um die Ecke in den Hausflur und seufzte erleichtert. Keine Spur von Morelli.
Ich konnte Morelli nicht für alle Zeiten aus dem Weg gehen, aber ich dachte mir, wenn es mir lange genug gelänge, würde er noch andere Spuren aufnehmen, und ich wäre aus dem Schneider.
Ich schloß meine Wohnungstür auf, und das Geräusch von Rex’ Laufrad empfing mich. Ich schob die Riegel vor die Tür, hängte Tasche und Jacke an einen der vier Kleiderhaken, die ich in meiner winzigen Diele angebracht hatte, und ging nach links in die Küche.
Die Anzeige auf meinem Anrufbeantworter blinkte. Vier Anrufe.
Der erste von Morelli. »Ruf mich an.«
Ich wußte, daß es Morelli war, weil sich beim Klang seiner Stimme meine Brustwarzen versteiften. Ansonsten hörte er sich leicht genervt an. Kein Wunder.
Der zweite Anruf war mindestens ebenso kryptisch. »Lassen Sie Mo in Ruhe. Sonst passiert was.« Eine männliche Stimme, gedämpft, verstellt. Na toll. Genau das, was ich brauchte. Anonyme Drohanrufe.
Der dritte war von der Nissan Werkstatt, ich hätte neue Kontakte und Zündkerzen. Die Zündung sei neu
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