Einsame Herzen
allgemein forderte viel mehr Zeit ein als in der Stadt, wo Spül- und Waschmaschinen eine Selbstverständlichkeit waren. Bei einem Haushalt mit drei Personen konnte Danielle nie über Langweile klagen. Spätestens gegen fünf Uhr begab sie sich jeweils in die Küche, um das Abendessen vorzubereiten.
Manchmal wünschte sie, sie hätte ein Telefon oder ihr Handy würde auf dem Feuerberg funktionieren. Ab und zu sehnte sie sich danach, wieder mal eine vertraute Stimme zu hören, eine erwachsene Stimme und zwar eine andere als Darkos. Er war bei den Abendessen nach wie vor kurz angebunden, sprach kaum ein Wort, ausser er wurde etwas gefragt.
Da sie kein Telefon besass und ihr Handy auf dem Feuerberg keinen Empfang hatte, war Danielle von der Aussenwelt völlig abgeschnitten. Dieses Gefühl beängstigte sie manchmal. Es war etwas anderes gewesen, als der Felsenpfad noch zugänglich gewesen war. Damals war ihr der fehlende Kontakt zur Aussenwelt weniger bedrohlich erschienen, da sie im Wissen war, den Felsenberg verlassen und in die Zivilisation zurückkehren zu können, wann immer ihr danach war. Doch nun, da sie dieser Möglichkeit beraubt wurde, fühlte sie sich an manchen Tagen richtiggehend einsam. Natürlich hatte sie Emma und Louise, doch mit ihnen konnte sie nun mal nicht die Gespräche von Erwachsenen führen.
Es gab auch Tage, da sehnte sich Danielle danach, sich einfach mal wieder fallen lassen zu können. In der Wildnis musste sie sich um alles kümmern, war ganz auf sich allein eingestellt. Manchmal wünschte sie nichts sehnlicher, als wieder einmal eine Entscheidung abgeben zu können, sich einfach fallen zu lassen und jemand anderem das Denken zu überlassen. Zudem gab es Tage, an denen sie sich nicht nur einfach fallen lassen wollte, sondern sich wünschte, von kräftigen Armen aufgefangen zu werden. Zugegeben, manchmal sehnte sie sich nach jemandem, der stärker war als sie, kräftiger als sie, nach jemanden, an den sie sich vertrauensvoll anschmiegen konnte und bei dem sie Schutz und Geborgenheit finden würde.
Hier auf dem Feuerberg gab es niemanden, der ihr das Gefühl von Schutz und Geborgenheit hätte vermitteln können. Der einzige halbwegs passable Kandidat wäre Darko Coda gewesen, doch Danielle war klar, dass er nicht in Frage kam. Erstens interessierte er sich nicht für sie, zweitens fühlte sie sich in seinen Armen unwohl, wie sie bereits hatte feststellen können. Er konnte ihr keine Sicherheit vermitteln, da nur schon seine Gegenwart ausreichte, um ihr Furcht einzuflössen.
Nein, dachte sie mit einem Anflug von Niedergeschlagenheit, sie würde einsam bleiben, zumindest bis zu dem Tag, an dem sie mit ihren Töchtern in die Stadt zurückkehren würde.
Es klopfte an der Haustür. Erstaunt fuhr Danielle auf. Ein Klopfen bedeutete, dass es nicht Darko sein konnte, der ihr einen Besuch abstattete.
Danielle klappte ihr Buch zu und erhob sich von der Couch. Zögernd ging sie zur Haustür und fragte sich, ob sie draussen den Einsiedler oder die Zwillinge vorfinden würde.
Kaum hatte sie die Tür geöffnet, als ihr ein starker, übelriechender Geruch entgegen schlug. Sekundenlang hielt Danielle den Atem an. Dann blickte sie auf, in die ungewaschenen, grauen Gesichter der Zwillinge. Jimmy und Ricky grinsten sie an wie zwei Weihnachtsmänner.
"Tatata", trompetet Jimmy und zog etwas aus einem braunen Sack. Ein Gritibänz, oder zumindest eine Backware, die ein Gritibänz hätte sein sollen. Erst jetzt fiel Danielle wieder ein, dass heute der sechste Dezember war. Sie hatte den Klaustag komplett vergessen!
"Für dich und die Kinder", sagte Ricky süsslich, als hätte Unsicherheit darüber geherrscht, wem er den Gritibänz schenken wollte.
"Dürfen wir reinkommen?"
Noch ehe sie etwas sagen konnte, zwängten sich die Zwillinge auch schon an ihr vorbei ins Haus. Danielle stöhnte innerlich gequält auf. Ehe sie die Tür schloss, hielt sie nach den Mädchen Ausschau. Sie konnte sie nirgendwo entdecken, hörte jedoch ihre Stimmen. Sie spielten hinter dem Haus.
Widerwillig folgte Danielle den Zwillingen. Sie hatten es sich bereits auf ihrer Couch gemütlich gemacht. Das erste, woran Danielle dachte, als sie die beiden verfilzten Gestalten auf ihrer Couch sitzen sah, war, dass sie diese neu beziehen musste, sobald die beiden verschwunden waren.
Unschlüssig trat sie ins Wohnzimmer. Was sollte sie nur tun? Ihnen etwas anbieten?
Das war ganz offensichtlich das, was sie erwarteten. Je schneller sie ihnen eine Tasse
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