Einsame Herzen
Haus verlassen hatte, hatte sie sich gefühlt, als sässe ihr ein Giftpfeil mitten in der Brust. Sie war matt, apathisch und hoffnungslos gewesen, zugleich hatte sie vor Nervosität und Kummer gezitterte.
Kein Wunder, dass sie nach solchen psychischen Strapazen in Darkos Armen Schutz und Geborgenheit gesucht hatte, kein Wunder, dass ein zärtlicher Kuss in einem Liebesspiel gemündet hatte, ein Liebesspiel, mit dem sie sich gegenseitig bewiesen hatten, dass sie wohlauf und lebendig waren, im Besitz sämtlicher körperlicher Kräfte.
Es war ein Fehler gewesen, mit ihm zu schlafen. Was für ein schrecklicher Fehler! Sie hätte sich nicht über ihren ersten Eindruck von ihm hinwegtäuschen lassen dürfen, hätte auf ihren Instinkt hören und ihrem rüden, selbstgefälligen und unmoralischen Nachbarn mit der gebührenden Vorsicht und Distanz begegnen sollen. Natürlich hatte sie richtig gehandelt, indem sie bei ihm Hilfe gesucht hatte, als sich ihre Vorräte zu Ende geneigt hatten. Er hatte sich mit Abstand am besten dazu geeignet, sich ihrer und der Kinder anzunehmen. Gezwungenermassen war sie auf seine unverschämte Gegenforderung eingegangen. Dies war aus einer Notwendigkeit heraus geschehen und liess sich rechtfertigen. Die vergangene Nacht aber fand keine Rechtfertigung, es liess sich nicht rechtfertigen, dass sie freiwillig und ohne jeden Zwang mit Darko Liebe gemacht hatte, mit einem Mann, von dem sie nichts kannte ausser sein einschüchterndes Äusseres und seine ungehobelten Umgangsformen.
Danielle verwünschte sich für leichtsinniges Handeln. Es war zwar verständlich, dass sie sich nach dem gestrigen Tag mit seinen Schrecken nach Sicherheit gesehnt hatte, nach jemandem, der sie festhielt und ihr Geborgenheit schenkte, aber dies war noch lange kein Grund, sich Darko um den Hals zu werfen. Wünsche waren nicht immer da, um erfüllt zu werden, manchmal blieben sie genau das, was sie wahren: unerfüllte Sehnsucht. Sie hätte es bei dieser Sehnsucht belassen sollen, hätte nicht kopflos nach einer Erfüllung suchen sollen, die sie im Nachhinein bereute.
Und wie sie sie bereute! Danielle sah noch immer Darkos Blick vor ihrem inneren Auge, der Blick, den er ihr zugeworfen hatte, als er vom Haus der Zwillinge zurückgekehrt war.
Sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt, seit er an diesem Morgen das Haus verlassen hatte. Sie war bei seiner Rückkehr noch immer zusammengesunken auf dem Küchenboden gesessen. Ängstlich und erschrocken hatte sie den Kopf gehoben, als im Korridor Schritte erklungen waren. Er hatte sie auf dem Küchenboden entdeckt, hatte sie sekundenlang mit heissem Zorn und kühler Verachtung gemustert, den Revolver noch in der Hand. Dann war er betont laut in sein Schlafzimmer gestapft.
Danielle wusste, was er mit dem zweiten Zwilling gemacht hatte. Darko hatte ihn kaltblütig erschossen, in seinem eigenen Heim. Es war eine Sache, von jemandem zu einem Duell herausgefordert zu werden, jemanden im Zweikampf zu erschiessen, doch es war etwas ganz anderes, in jemandes Heim einzudringen, um einen kalten Mord zu begehen. Auch der Gedanke daran, dass es sich beim Darkos Opfer um den Zwilling gehandelt haben musste, der Darko in böser Absicht in den Wald gefolgt war, liess Danielle sich nicht besser fühlen.
Danielle fühlte sich genauso schuldig am Tod der Zwillinge wie Darko. Das Blut, von dem er gesprochen hatte, klebte auch an ihren Händen. Sie ahnte aber, dass Darko diese Worte nicht beruhigen würden. Er mochte zwar ein ungehobelter und rauer Mistkerl sein, möglicherweise war er auch auf der Flucht vor dem Gesetz, aber ganz bestimmt war er kein Mörder. Jedenfalls war er keiner gewesen, bevor er die Zwillinge erschossen hatte. Er hätte nicht so reagiert, so verstört und hasserfüllt ihr gegenüber, wenn er sich nicht zutiefst schuldig gefühlt hätte, wenn er seine Tat nicht zutiefst bereut hätte. Er verachtete sich selbst so sehr für seine Tat, dass er sich gewünscht hatte, er hätte sich nicht auf ihre Seite gestellt und sie ihrem Schicksal überlassen.
Danielle schluchzte leise. In was für einen Albtraum sie da geraten war! Kaum hatte sie ihr Leben endlich selbst in die Hand genommen, hatte ein Schrecken den nächsten gejagt, war ein Übel dem anderen gefolgt. Den Kindern zuliebe durfte sie sich ihr Leid nicht anmerken lassen, musste sie eine gute Miene zum bösen Spiel machen.
Danielle wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von den Wagen. Sie wünschte sich so sehr, dass der
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