Einsame Herzen
Arm um sie, zog sie an sich. Sofort rückte sie dicht an ihn, schmiegte ihren Kopf vertrauensvoll an seine Brust.
"Ich bin so froh... dass du da warst", flüsterte sie leise. Eine einzelne Träne rann ihr über die Wange. Darko wischte sie mit dem Daumen beiseite. "Ich auch, Danielle. Ich auch."
Beiden schwiegen einen Moment, jeder in seinen eigenen Gedanken gefangen.
"Du kannst dir nicht vorstellen, wie erleichtert wir waren, als wir die Kleine endlich gefunden haben", murmelte Darko dann
"Wo war sie?" Danielle legte den Kopf in den Nacken und blickte von Darkos Schulter zu Darko auf.
"Wir haben sie im Wald gefunden. Bär hat die frischen Spuren eines Schneehasen entdeckt. Daneben verliefen Spuren von Kinderfüssen, ebenfalls frisch. Louise ist den Spuren des Schneehasen gefolgt, die sie tief in den Wald geführt haben. Dann ist die Dunkelheit eingebrochen und Louise hat die Orientierung verloren. Sie konnte ihre eigenen Fusspuren nicht mehr erkennen, die sie nach Hause zurückgebracht hätten. Sie hat versucht, den Weg zurückzufinden, doch das hat sie nur tiefer in den Wald geführt. Als wir sie gefunden haben, hat sie im Schnee gesessen, den Rücken erschöpft an einen Baumstamm gelehnt."
Danielle holte zitternd Luft. "Wenn ihr sie nicht gefunden hättet..."
Bei den tiefen Nachttemperaturen wäre Louise im Schnee erfroren. Danielle rang keuchend nach Atem. Ihre Finger gruben sich krampfhaft in Darkos Hemd.
Darko strich ihr beruhigend über den Kopf. "Aber wir haben sie gefunden, Danielle. Wir haben sie gefunden."
Eine ganze Weile rührte sich Danielle nicht.
"Ich habe mich so hilflos gefühlt. Meine Tochter war verschwunden und ich konnte nichts tun, um sie zu finden. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so hilflos gefühlt."
"Aber du hast etwas getan", murmelte Darko sanft an ihrem Ohr. "Du hast mich verständigt, du hast Hilfe geholt. Du hast sogar genau das Richtige getan."
Danielle blickte Darko an, nicht ganz überzeugt von seinen Worten, aber doch halbwegs beruhigt. Sie schmiegte sich näher an ihn. Er reagierte sofort und verstärkte seine Umarmung.
"Darko", setzte sie leise an. "Du warst so... so vollkommen ruhig. Ich bin fast umgekommen vor Angst und Sorge..."
"Du bist Louise Mutter, Danielle. Es hätte mich auch sehr verwundert, wenn du kühl und gefasst an meine Tür geklopft hättest. Deine Gefühle sind nur natürlich."
Danielle atmete schwer ein und aus. "Aber wie kommt es, dass du so gefasst warst? Dass du so ruhig und überlegt gehandelt hast?"
Er strich ihr sanft über den Rücken. "Ich denke, das hat mit meiner Vergangenheit zu tun."
Danielle wartete darauf, dass er seine Worte ausführte, ihr mehr erklärte, doch er schwieg beharrlich.
"Mit deiner Vergangenheit? Wie meinst du das?"
Wieder schwieg Darko lange. Seine Brust hob und senkte sich tief unter Danielles Kopf. Seine Vergangenheit war ganz offensichtlich ein Thema, das er lieber mied. Danielle glaubte schon, keine Antwort zu erhalten, als er murmelte. "Mit meinem Beruf."
Sie hob die Augenbrauen, blickte fragend zu ihm auf. Er rang sichtlich mit sich selbst, unentschlossen, ob und was er ihr über sich preisgeben sollte.
"Als was hast du gearbeitet?", fragte Danielle sanft. Ihre grossen, braunen Augen hielten die seinen in einer sanften, aber fordernden Umarmung gefangen. Schliesslich holte er tief Luft.
"Ich war bei der Polizei. Kriminalpolizei."
"Was?", rief Danielle überrascht aus.
Sie löste sich von ihm, starrte ihn fassungslos an. Darko ein Polizist? Das war das Letzte, mit dem sie gerechnet hatte. So wie er sich hier in die Einsamkeit der Berge zurückgezogen hatte, hatte sie viel eher angenommen, er sei auf der Flucht. Aber ein Kriminalpolizist? Wovon sollte ein Kriminalpolizist schon davonlaufen?
Sie dachte an ihr erstes Treffen mit Darko, damals als er laut polternd in ihre Küche geplatzt war und ihr unmissverständlich klar gemacht hatte, was sie seiner Meinung nach tun sollte. Nie wäre sie auf den Gedanken gekommen, dass ein Mann wie er, schonungslos direkt, um nicht zu sagen grob und ungehobelt, als Polizist gearbeitet haben könnte. Wenn man Darko erst einmal besser kennenlernte, merkte man bald, dass sein hartes Äusseres nur Show war. Aber das hatte sie damals noch nicht gewusst. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass sich unter seiner harten Schale ein weicher Kern versteckte, dass er ein gefühlvoller, pflichtbewusster Mann war, der den Begriff der Verantwortung viel weiter fasste und viel umfassender verstand als die
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