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Einsame Klasse.

Einsame Klasse.

Titel: Einsame Klasse. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler , Robert B. Parker
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Kleiderschränken hingen eine Menge Damenkleider sowie ungefähr sechs Herrenanzüge oder Anzugjacken mit dazu passenden Hosen, fein säuberlich abgegrenzt aufgehängt. An der Innenseite der Schranktür war ein Schlipshalter befestigt, an dem ein Dutzend oder mehr Seidenkrawatten in fast allen Grundfarben hingen. Weiter hinten im Schrank auf der linken Seite entdeckte ich diverse duftige und etwas befremdliche, durchsichtige Nachthemden; schwarze Spitze, hauchdünne weiße Gaze, ganz der Traum junger Mädchen vom Sexysein.
    Den Flur hinunter lagen außerdem zwei Gästezimmer und zwei Badezimmer. Die Gästezimmer und eines der Badezimmer sahen keimfrei unbenutzt aus. Ein Blick auf meine Uhr sagte mir, dass die Zeit um war. Ich ging die Treppe hinab, zog die Haustür hinter mir zu, vergewisserte mich, dass sie ins Schloss gefallen war, schlenderte den Weg hinunter, stieg in meinen Olds und fuhr mit ordnungsgemäßer Geschwindigkeit davon, als Muffy, die kaum über das Armaturenbrett ihres riesigen Chryslers sehen konnte, aus der entgegengesetzten Richtung kommend um die Ecke bog. Da sie vollauf damit beschäftigt war, den Chrysler zu steuern, schenkte sie mir keine Beachtung.
    Mein Büro über der Tankstelle besaß keine Klimaanlage. Als ich die Tür öffnete, hatte ich das Gefühl, in einen Pizzaofen zu wandern. Nur roch es nicht so gut. Ich ließ die Tür offenstehen und schaltete den Ventilator an, den ich aus L. A. mitgebracht hatte, als ich mein Büro im Haus an der Cahuenga dichtgemacht hatte. Die heiße Luft ließ mir den Schweiß übers Gesicht laufen, während ich an meinem Schreibtisch saß und das Scheckheft betrachtete. Nicht viel für ein Verbrechen, das einem ein bis fünf Jahre in Soledad einbringen konnte.
    Das Scheckheft gehörte Valentine, nicht beiden zusammen, nur Lester A. Valentine und der auf dem Umschlag aufgedruckten Adresse. Sein derzeitiger Kontostand war 7754 Dollar und 66 Cent. Ich blätterte im Verzeichnis des Heftes, das bis zum achten November des Vorjahres zurückreichte. Es gab Einträge für fotografische Ausrüstung, für irgendwelche Herrenbekleidung, eine Menge Barauszahlungen, Beiträge für den Tennisclub, eine monatliche Rechnung des Melvin’s im Poodle Springs Hotel und Erholungszentrum und einen vom Ordnungsamt in L. A. ausgestellten Strafzettel wegen Falschparkens mit dazugehöriger Nummer. Es war das einzige in dem Scheckheft, das ihn nicht mit Poodle Springs verband. Ich beschloss, es als Anhaltspunkt zu betrachten, und notierte mir die Schecknummer sowie die Nummer des Strafzettels. Dann legte ich das Scheckheft in meinen Schreibtisch, schloss die Schublade ab und holte die Flasche Scotch heraus, die ich für den Fall in meinem Tisch aufbewahrte, dass ich von einem Gilaechsenmonster gebissen werde. Ich goss mir einen Drink ein, nippte daran und dachte darüber nach, warum ein Kerl verschwinden und ein Scheckheft mit einem Kontostand von mehr als 7500 Dollar zurücklassen würde.
    Ich leerte das Glas und schenkte mir noch mal ein. Es waren keine Gilamonster in Sicht, aber man konnte ja nie wissen.

11
    Zum ersten Mal in diesem Winter veranstalteten wir, oder besser gesagt Linda, eine Party. Ich versuchte mich aus allem rauszuhalten. Und scheiterte. Als um halb sechs die ersten Gäste eintrafen, trug ich ein weißes Jackett, das Linda liebte und ich nicht. Linda begrüßte die Leute, als seien sie ihr willkommener als ein kühler Regenschauer im August. Dabei wusste ich mit Sicherheit, dass sie zumindest dreißig Prozent nicht ausstehen konnte. Bei mir lag der Durchschnitt höher und stieg im Verlauf des Abends noch.
    Es waren ungefähr zweihundert Personen anwesend. Tino kümmerte sich um die Bar und sah herrlich aus in seinem Smoking, der ihm so stand, wie gewisse Kleidungsstücke nur asiatischen Hausboys stehen. Die Leute vom Partyservice bewegten sich mit ihren silbernen Tabletts voller Champagnergläser und genießbarem Kleinkram ballettartig durch die Menschenmenge. Ich lehnte an der Bar und umsorgte einen Scotch.
    «Und Sie sind also der neue Männe», sagte eine Frau zu mir.
    «Ich ziehe den vor», erwiderte ich.
    «Natürlich tun Sie das», sagte die Frau. «Ich bin Mausi Fairchild. Linda und ich kennen uns praktisch seit Ewigkeiten, seit wir noch ganz junge Mädchen waren.»
    Das erste, was mir an ihr auffiel, war, dass sie nach regennassen Blumen roch, und das zweite, dass ihr blassviolettes Seidenkleid an ihr klebte wie die Haut an einer

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