Einsame Klasse.
zwischen den Tischen und vor den Nischen auf die Vorderseite zu, an der etwas Sonnenlicht durch die dreckigen Scheiben sickerte. Zusätzlich zu dem abgestandenen Küchengeruch ließ der frische, irreführende Geruch von Alkohol die Luft kühler erscheinen. Val legte den Kopf auf meine Schulter, während wir uns mit kleinen Drehungen durch den Raum bewegten, und sie sang das Lied, zu dem wir tanzten. Sie kannte den Text. Sie kannte wahrscheinlich sämtliche Texte sämtlicher traurigen Lieder, genauso wie sie wusste, wie viele Viertellitergläser Weißwein in eine Zweiliterkaraffe passen.
Die Musik endete. Die Münzen, die sie eingeworfen hatte, waren aufgebraucht, aber wir tanzten noch immer, sie mit dem Kopf an meiner Schulter. Sie sang das Lied noch ein bisschen weiter und schwieg dann, und das einzige Geräusch war das Schlurfen unserer Füße in dem leeren Raum. Val begann zu weinen, leise, ohne ihren Kopf von meiner Schulter zu nehmen. Ich sagte nichts. Draußen auf dem Sunset quälte irgendjemand seinen mit Doppelauspuff bestückten Wagen durch sämtliche Gänge, und die fauchenden Tonlagenwechsel bohrten sich durch unser Schweigen. Ich tanzte Val sanft auf einen Tisch mit vier Stühlen zu, als sie plötzlich in meinen Armen erschlaffte.
Ich spreizte meine Beine, beugte die Knie, ließ beide Arme unter ihre gleiten und beförderte sie vorsichtig zu einer Nische. Sie war so schlaff wie eine verkochte Nudel, ihre Beine pendelten und schleiften hin und her. Ich beugte mich vor, hievte sie in die Nische und legte sie so würdevoll hin, wie es bei ihr noch möglich war. Willie sah von seinem Standort hinter der Bar aus kommentarlos zu.
«Bemühen Sie sich nicht», sagte ich. «Sie wiegt bestimmt nicht mehr als ein zweitüriger Buick. Ich komme schon klar.»
«Betrunkene sind schwer», erwiderte Willie.
Ich holte einen weiteren Zwanziger heraus; in meiner Brieftasche wurden sie langsam knapp. Ich ging zur Bar und gab Willie den Schein.
«Wenn sie wieder bei sich ist, setzen Sie sie in ein Taxi», sagte ich.
«Wenn sie wieder bei sich ist», sagte Willie, «wird sie noch vier Liter Wein trinken wollen, bis sie schließlich wieder umkippt.»
«Okay. Dann lassen Sie sie das tun, wenn sie zu sich kommt.»
«Sie geben einen verdammten Haufen Kohle für alte Flittchen im Weinsuff aus.»
«Ich habe eine reiche Frau», sagte ich.
Ich bezahlte die Rechnung mit meinem letzten Zwanziger und ging hinaus in das heiße, harte, lieblose Licht der Sonne.
21
Nummer 222 lag auf der linken Seite, wenn man die Kenmore in Richtung Franklin hinauffuhr. Das Haus stand auf einem kleinen Rasenstück, und die Haustür war durch das tiefhängende Verandadach kaum zu sehen. Es war einer dieser angenehm kühlen Bungalows mit großen Veranden davor, die man zu jener Zeit gebaut hatte, als L. A. noch ein wildwuchernder, gemütlicher Ort mit einer Menge Sonne und ohne Smog war. Die Leute pflegten am Abend auf diesen Veranden zu sitzen, Eistee zu trinken und den Nachbarn zuzusehen, wie sie ihren Rasen mit langem Strahl aus einem Schlauch wässerten. Sie pflegten bei offener Haustür zu schlafen, und die Fliegentür wurde nur von einem einfachen Haken gehalten. Und sie pflegten Radio zu hören und manchmal an Sonntagen mit einem der städteverbindenden Züge zu einem Picknick zum Strand rauszufahren. Ich parkte an der Ecke Franklin und wanderte zurück. Der Rasen vor dem Haus war nicht mehr zu gebrauchen. Das Gras war so hoch, dass es angefangen hatte, Samenstände zu bilden. Das Haus brauchte einen Anstrich, das Fliegennetz hatte sich an mehreren Stellen aus der vorderen Fliegentür gelöst, und das Netz hatte sich gekräuselt wie die Kragenpunkte an einem alten Oberhemd. Die Haustür war verschlossen, aber der Rahmen hatte sich etwas verzogen, so dass es kein Problem war, reinzukommen. Ich legte meine Schulter gegen den Rahmen und meine Handfläche gegen die Tür, drückte gleichzeitig in beide Richtungen, und war drin.
Die Wohnung roch, wie Wohnungen oft riechen, wenn sie eine Zeitlang leer und verschlossen waren. Rechts, durch einen Torbogen abgetrennt, lag das Wohnzimmer. In ihm war eine gefederte Couch mit gehäkelter Überdecke, die umgeschlagen war, als ob jemand unter ihr gelegen habe und gerade aufgestanden sei. Gegenüber stand ein großer alter Fernseher auf Stelzen, darauf ein eckiges Apothekerglas voller kleiner, bunter Bonbons, die einzeln in Zellophan verpackt waren. Der dünne blaue Navaho-Läufer auf dem Boden war
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