Einsame Klasse.
Wüste. Ihre Augen sahen aus, als habe sie geweint, und ihr Mund war eine schmale Linie. «Er ist nicht hier», sagte sie.
«Ihr Mann?»
«Ja. Ich weiß nicht, wo er ist.»
Ihre Zungenspitze tauchte auf und berührte ihre Unterlippe und verschwand wieder.
«Wann ist er gegangen?»
«Am Tag nachdem Sie ihn hergebracht hatten.»
«Sie wissen, dass Lipshultz tot ist», sagte ich.
«Ja.»
«Wussten Sie auch, dass er für Ihren Vater gearbeitet hat?»
Sie wich zurück, als hätte ich mit einer lebenden Schlange nach ihr geschlagen.
«Der Agony Club gehört Ihrem Vater.»
Ohne etwas zu sagen, sah sie mich weiter an, das Gesicht unbewegt, während ihre Zungenspitze gelegentlich über ihre Unterlippe schnellte. Ich erwiderte ihren Blick. Weiter passierte nichts.
Schließlich drehte ich mich um, ging hinaus und schloss die Tür hinter mir. Sie war noch schlechter dran als ich. Ich stieg in den Olds und starrte für einen Augenblick ins Leere, setzte den Wagen dann in Gang und machte mich auf den Weg nach L. A.
Als ich ankam, war Angel auf der Veranda vor dem Haus und betrachtete den Strand. Auf einer Untertasse lag eine erkaltete Toastscheibe, und der Tee in der Tasse mit dem darinhängenden Teebeutel wurde langsam schwarz. Angel saß mit angezogenen Knien im Schaukelstuhl, die Arme um die Knie geschlungen, das Kinn darauf ruhend. Der Schaukelstuhl bewegte sich leicht, aber sie schaukelte nicht wirklich.
«Er ist nicht hier», sagte sie.
«Warten Sie auf ihn?» fragte ich.
«Ja. Ich bin nicht zur Arbeit gegangen. Ich kann nicht. Ich muss hier sein, falls er nach Hause kommt.»
«Ich habe ihn verloren», sagte ich. «Er ist nicht mehr dort, wo ich ihn gelassen hatte.»
Der Schaukelstuhl bewegte sich kurz. Angel schwieg. Das Geräusch der Brandung, gedämpft durch den Weg über den Sand, war ein leeres Rauschen hinter uns. Auf dem Strand zogen Menschen in beiden Richtungen an uns vorüber. In der Nähe eines neuen Spielplatzes weiter oben verschob ein Bulldozer Sand.
«Dass Sie hier warten, ist er nicht wert, Angel. Er hat kein Rückgrat.»
«Ich liebe ihn», sagte sie und zuckte mit den Schultern. Der Schaukelstuhl bewegte sich kurz und blieb dann stehen.
Ich dachte an Muriel, an ihr Gesicht, aus dem alles außer Schmerz herausgeschürft worden war.
Ich betrachtete Angel. Würde sie auch das verzeihen, eine andere Frau? Verdammt, eine andere Ehefrau. Diese Laus hatte zwei Frauen, die verrückt nach ihm waren. Ich war auf dem besten Weg, keine zu haben. «Sie haben nicht zufällig eine Vermutung, wo er sein könnte?» fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. «Er wird hierher zurückkommen, bestimmt», sagte sie. «Früher oder später.»
«Ich bin nicht so sicher, Angel, dass er Lippy nicht umgebracht hat.»
«Das würde er nicht tun.»
«Und wenn er Lippy umgebracht hat, dann könnte er auch Lola getötet haben.»
Angel schüttelte nur grimmig den Kopf und starrte auf den Strand.
Es gab nichts mehr zu sagen. Wenn er Lola ermordet und ich ihm zur Flucht verholfen hatte, dann saß ich wegen Lippy genauso in der Patsche wie er. Ich warf Angel ein gequältes Lächeln zu, drehte mich um und ging weg. Als ich zurückblickte, starrte sie noch immer reglos auf den Strand.
Ich fuhr von Venice in die Innenstadt, um Bernie Ohls zu besuchen. Er war in seinem Kämmerchen. Ein leerer Schreibtisch mit einem Telefon drauf, ein Drehstuhl, der Hut an einem Haken an der Innenseite der Tür.
«Hat Harlan Potter Sie rausgehauen?» fragte er, als ich eintrat. «Oder haben Sie sich aus dem Knast in Springs rausgebuddelt?»
«Potter», sagte ich.
«Wette, dass er und seine Tochter vor Glück Luftsprünge gemacht haben.»
«Wie laichende Lachse.» Ich nahm auf dem freien Stuhl vor dem Schreibtisch Platz. An den Wänden waren keine Bilder, keine lobenden Erwähnungen, nicht einmal ein Fenster. Ich wusste von mindestens neun Leuten, die Ohls getötet hatte, viele davon, als sie glaubten, sie hielten ihn in Schach.
Das Büro war so leer wie der Blick eines Kellners.
«Sie sehen nicht besonders gut aus, Marlowe», sagte Ohls. «Sie sehen aus, als hätten Sie nicht gut geschlafen und ein lausiges Frühstück gehabt.»
«Les Valentine und Larry Victor sind ein- und derselbe Mann.»
Ohls saß seitlich und hatte einen seiner Füße über die offene untere Schublade seines Schreibtisches gelegt. Er nahm den Fuß von der Schublade, schwenkte den Stuhl herum und stellte langsam beide Füße auf den Boden.
«Ist das wahr?» Ich
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