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Einsame Klasse.

Einsame Klasse.

Titel: Einsame Klasse. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler , Robert B. Parker
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der Stenotypistin?» fragte ich.
    «Zum Teufel mit der Stenotypistin», sagte Ohls. «Wer ständig auf einem so schmalen Grat wandert, Marlowe ...» Er entließ mich mit einer beiläufigen Handbewegung. So, wie man eine Stechmücke wegscheucht.
    Ich stand auf und ging.

30
    Zuweilen ist Bewegung ein angemessener Ersatz für Taten. Ich hatte nichts anderes zu tun und niemand anderen zu beehren, also fuhr ich raus nach West-L. A., um nach Sondra Lee zu suchen.
    Die blonde Empfangsdame mit den langen Oberschenkeln war wieder da. Sie sagte mir, Sondra Lee werde in der nächsten halben Stunde erwartet, und ich nahm auf einem der silbernen Tweedsofas ohne Seitenlehnen Platz, die sich an der linken Wand des Büros entlangschlängelten. An den Wänden hingen, in silbernen Rahmen, Modefotos der Klientinnen, schwarz-weiß und theatralisch beleuchtet, in der koketten Art, die nur Modefotografen einfangen können. Sondra war eine von ihnen, im Profil, den Blick in irgendwelche ätherischen Weiten gerichtet, einen gewaltigen schwarz-weißen Hut auf dem Kopf tragend. Was immerhin mehr war als das, was sie auf dem zusammengerollten Foto in meiner Tasche trug.
    Die Zeit kroch voran wie eine träge Schmetterlingslarve. Eine große, dünne, übertrieben gekleidete Frau kam herein, nahm einige Mitteilungen von der Empfangsdame entgegen und verschwand wieder nach draußen. Dann erschien eine andere Frau, rabenschwarzes Haar, blasse Haut, karmesinroter Lippenstift, sprach mit der Empfangsdame und ging an ihr vorbei in eines der dahinterliegenden Büros. Ich sah mich um, entdeckte einen Aschenbecher auf einem silbernen Sockel, zog ihn dicht an mich heran, holte eine Zigarette heraus und zündete sie an. Ich ließ das abgebrannte Streichholz in den Aschenbecher fallen und nahm einen Zug. An der Wand hinter der Empfangsdame hing eine große, banjoförmige Uhr. Sie tickte so leise, dass ich einen Moment brauchte, um sie zu hören. Von Zeit zu Zeit gab das Telefon ein leises Raunen von sich, und die Empfangsdame sagte heiter:
    «Agentur Triton, guten Tag.» Während ich da war, sagte sie es ungefähr vierzigmal, ohne jede Variation. Meine Zigarette war bis auf einen Stummel heruntergebrannt. Ich drückte sie im Aschenbecher aus und bog meinen Rücken durch, und während ich bog, kam Sondra Lee. Sie trug ein kleines gelbes Kostüm und einen großen gelben Hut. Mich erkannte sie nicht wieder, selbst als ich aufstand und «Miss Lee» sagte.
    Sie wandte den Kopf mit diesem unpersönlich freundlichen Blick, den Leute bekommen, die es gewohnt sind, erkannt zu werden.
    «Marlowe», sagte ich. «Wir haben vor einigen Tagen bei Ihnen zu Hause unter anderem über Les Valentine gesprochen.»
    Das Lächeln blieb genauso unpersönlich, wurde allerdings unfreundlicher.
    «Und?» fragte sie.
    «Und wir hatten solchen Spaß, dass ich noch ein bisschen länger mit Ihnen reden wollte.»
    «Tut mir leid, Mr. Marlowe, ich fürchte, ich kann nicht. Ich habe heute Nachmittag einen Termin.»
    Ich näherte mich ihr, nahm im Gehen ihr nacktes Bild aus meiner Innentasche und entrollte es. Ich hielt es so, dass sie es sehen konnte, nicht aber die Empfangsdame.
    «Nur einen Augenblick», sagte ich. «Ich dachte, Sie wären vielleicht in der Lage, mir wegen dieses Bildes weiterzuhelfen.»
    Sie warf einen Blick darauf und ließ sich nichts anmerken.
    «Oh, in Ordnung. Wir können hier drin reden.»
    Sie führte mich in einen kleinen Ankleideraum mit einem großen, von Lampen eingerahmten Spiegel. Es gab einen Schminktisch voller Tiegel und Tuben, Puderdosen und Bürsten, davor einen Hocker, eine Bettcouch an der Wand rechts von der Tür und einen hohen Regiestuhl. Auf der Rückseite des schwarzen Segeltuchs stand in weißer Schrift Sondra. Sie setzte sich auf den Stuhl, die langen Beine achtlos vor sich ausgestreckt.
    «Also sind Sie auch wieder nur ein widerlicher, kleiner Erpresser», sagte sie mit ruhiger Stimme.
    «Ich bin gar nicht so klein», entgegnete ich.
    «Zu Ihrer Information, Sie Wanze, ich werde Ihnen rein gar nichts für dieses Bild geben. Das ist genau das, was es wert ist. Schicken Sie es an die Zeitungen, schlagen Sie es im Busbahnhof an, mir ist es egal. Es ist dreißig Jahre her, dass Bilder wie dieses mich verletzen konnten.»
    «Also haben sie Larry Victor nicht viel genützt», sagte ich.
    «Nicht mehr als Ihnen, Hausierer.» Sie nahm eine Zigarette mit pastellfarbenem Filter heraus, steckte sie in den Mund und entzündete sie mit einem

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