Einsame Spur (German Edition)
betrachtete seine Gefährtin, die am Küchenfenster von Tammy und Nate stand und nach draußen schaute. Er hatte Nate ein paar Werkzeuge zurückgebracht, die er sich bei ihm ausgeliehen hatte, und da Mercy nicht zur Wache eingeteilt war, war sie mitgekommen, um sich mit Tamsyn auszutauschen – und die Gelegenheit zu nutzen, »sich wie ein Mädchen zu kleiden«.
Sie hatte ein Trägerkleid mit großen, gelben Sonnenblumen gewählt, das rote Haar hoch auf dem Kopf zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und war in weiße Flip-Flops geschlüpft, mit je einem Gänseblümchen auf den Zehenriemen. Mercy sah sonnig und hübsch mädchenhaft aus – doch Riley wusste genau, dass sie die Schuhe in Sekunden abstreifen und lossprinten konnte, falls das Rudel geschützt werden musste.
Mit einem frohen Lächeln legte er den Arm um ihre Taille und küsste ihr Ohrläppchen. »Was gibt es da draußen denn Interessantes?«, murmelte er leise. Denn Nate und Tamsyn kabbelten sich am Küchentisch.
»Faith ist vollkommen hysterisch.«
Sein Wolf war sofort alarmiert und sah ebenfalls hinaus, wo die ruhige und elegante Faith NightStar sich im Hof der Heilerin des Leopardenrudels vor Lachen ausschüttete über etwas, was ihr ziemlich amüsierter Gefährte sagte. Vaughn und sie waren vor etwa einer Viertelstunde eingetroffen, um eine Kiste mit medizinischen Hilfsmitteln abzugeben, und waren dann zum Kaffee geblieben.
Die V-Mediale hatte sich gerade genug gefangen, um etwas zu erwidern, worauf der Jaguar reichlich dämlich grinste.
Mercy fuhr die Krallen aus.
Riley drückte ihre Taille. »Willst du es wissen?« Sein Wolf strich schon aufgeregt herum – auch er selbst wusste Dinge gern im Voraus, ihm war aber ebenso klar, dass Mercy Überraschungen bevorzugte. In dieser Sache würde er ihren Wunsch respektieren, denn er konnte sicher nicht den Mund halten, wenn Faith das vorausgesehen hatte, was er vermutete.
Kurz vor Kenjis Anruf hatte Riley gesehen, wie Faith Mercy mit großen Augen anstarrte. Nur Sekunden später hatte sie angefangen, so heftig zu husten, dass sie das Haus verlassen musste. Sicher hatte Mercy schon dieselben Schlüsse gezogen wie er.
»Ich liebe Überraschungen«, flüsterte Mercy, zog die Krallen ein und legte die Hand auf den noch flachen Bauch. »Aber in diesem Fall ist es sicher besser für uns, wenn wir herausfinden, was sie gesehen hat.«
Riley rieb über ihren unteren Rücken. »Wahrscheinlich einen rothaarigen Teufelsbraten.«
»Oder ein stures Wolfsjunges, das gern eigene Wege geht.«
Sie lächelten sich an und wandten sich zu Tamsyn und Nate um. »Wir sind gleich wieder da«, sagte Mercy und zog Riley mit sich.
Bald darauf standen sie vor Faith und Vaughn. »Spuck’s schon aus«, befahl Mercy.
Die V-Mediale wischte sich die Tränen aus den Augen und lächelte unschuldig. »Was denn?«
»Zwing mich nicht dazu, es aus dir herauszuprügeln. Sag einfach, ob uns unser Kind auch dermaßen zum Wahnsinn treiben wird.«
Aus irgendeinem Grund gab das Faith erneut den Rest. Sie lachte so sehr, dass sie sich auf den Boden setzen musste. Vaughn hockte sich neben sie, rieb ihr beruhigend über den Rücken und versuchte, ein ernstes Gesicht zu machen. Er scheiterte kläglich und verzog den Mund zu einem seltenen Lächeln. »Ihr wisst doch«, sagte er, »dass die Zukunft nicht feststeht und sich wandeln kann.«
»Faiths Auftritt nach zu urteilen, steht dieser Teil aber felsenfest.« Mercy verschränkte die Arme und versuchte, ruhig zu atmen, obwohl es überall kribbelte. »Unser Kind wird ein Wolf, nicht wahr?« Zum Anbeißen wahrscheinlich, eine süße, kleinere Ausgabe von Riley.
»Hmm.« Faith presste die Lippen fest aufeinander.
»Eine Leopardin?« Riley war die Freude anzusehen. »Mit derselben Fellzeichnung wie Mercy?«
Faith lachte auf, dann machte sie wieder: »Hmm.«
»Faith!« Ein gemeinsames Knurren.
Die V-Mediale warf ihrem Gefährten einen verschwörerischen Blick zu. »Tammy kommt doch ganz gut mit ihren Jungen zurecht, oder was meinst du?«, fragte sie nachdenklich.
Mercys Beine gaben nach. »Oh nein«, sagte sie, während Riley ebenfalls in die Knie ging. »Ich bekomme doch wohl keine Zwillinge?«
»Nein, da bin ich ganz sicher.« Die schnelle Antwort von Faith war eigenartigerweise enttäuschend, obwohl der Gedanke an Zwillinge sie erst einmal erschreckt hatte. »Ihr wisst ja, wie das mit den Vorhersagungen ist – sie sind niemals glasklar, und Mehrlingsschwangerschaften sind selten.«
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