Einsamen
aufgegeben hat – den Augenblick, als er es beschloss, und es ist dieser Augenblick und dieser Entschluss, die ihn nicht in Ruhe lassen. Sie kommen immer wieder und flehen um seine Hilfe. Sie suchen ihn in seinen Träumen heim – aber auch, wenn er, nach allem zu urteilen, hellwach ist. Das ist äußerst schmerzhaft für ihn. Eine ertrunkene Ehefrau und eine ertrunkene Tochter, die ihn um Hilfe anrufen, und schließlich wird ihm klar, dass es nur einen Weg gibt, sie loszuwerden. Er muss sie noch einmal töten, um seiner Schuld und seinen Quälgeistern zu entfliehen. In seinem allerletzten Gedicht, das also auf zwei Tage vor seinem Tod datiert ist, führt er diese Handlung aus, und es ist das finsterste, schönste und unerbittlichste Gedicht, das ich je gelesen habe.
Aber jetzt lasse ich Grimaux hinter mir. Es ist Januar, und ein schweinekalter Wind fegt durch Uppsala. Germund und ich haben darüber diskutiert, ob wir hier wirklich noch viel länger bleiben wollen, er meint, er müsse noch ein weiteres Jahr studieren, er will auch sein Examen in Physik machen, und ich nehme an, dann wird es so sein. Ich weiß jedenfalls gar nicht, wohin wir uns wenden sollten oder was wir machen wollten, wenn wir umziehen. Mein Leben hat keine Richtung. Auf jeden Fall will ich einen Job finden, anfangs wird es Friedhofsarbeit sein, auf dem Alten Friedhof und vielleicht draußen in Berthåga. Ich habe eine Anzeige in der Zeitung gesehen, in der stand, dass sie Leute brauchen, habe dann angerufen und den Job sofort bekommen. Es handelt sich um sechs Monate, vielleicht verlängert es sich, aber dafür gibt es keine Garantie. Ich freue mich darauf, herumzulaufen und zwischen den Gräbern zu harken, statt immer nur zu lesen und zu lernen, ja, das wird schön werden. Ich fange am ersten Februar an.
Ich kann nicht sagen, wo Germund steht. Aber vielleicht habe ich das noch nie gewusst. Es ist frustrierend für ihn, dass wir immer noch nicht miteinander vögeln. Er trifft ab und zu andere Mädchen, das ist kein Geheimnis, aber wir sprechen nie darüber. Ich will es nicht wissen, habe ihm nur gesagt, dass es mich nicht interessiert.
Aber es quält ihn, dass ich ihn nicht aufnehmen kann, ich habe ihn gefragt, ob er möchte, dass ich ausziehe, damit er andere Frauen mit nach Hause bringen kann, aber jedes Mal, wenn ich es vorschlage, wird er fast wütend.
Es geht um dich und mich, Maria, sagte er vor Kurzem. Du und ich, für immer, hatten wir das nicht so beschlossen? Könnten wir nicht vielleicht mit jemandem mal reden?
Mit jemandem mal reden?, wiederholte ich. Was meinst du damit? Mit wem sollen wir denn reden? Und worüber?
Über das hier, sagte Germund und breitete die Arme aus, obwohl er eigentlich wütend und verbittert war. Über dich und mich. Darüber, dass wir uns lieben, aber nie vögeln. Darüber, was in diesem verfluchten Timisoara passiert ist. Du bist ja wohl nicht die erste Frau in der Weltgeschichte, die vergewaltigt wurde?
Ich überlegte fünf Sekunden lang, was zum Teufel ich darauf antworten sollte. Dann gab ich ihm eine Ohrfeige. Traf dabei mit meinem Ring seine Augenbraue, die fing an zu bluten, und hinterher hatten wir ein paar schöne Stunden der Versöhnung.
Wir tranken Wodka, lagen nackt beieinander und umarmten uns, ich half ihm schließlich zum Erguss, aber weiter kamen wir nicht. Dazu ist es zu früh, immer noch zu früh.
Meine Eltern nerven uns damit, dass wir doch ins Faschistenspanien reisen und sie besuchen sollen, aber ich wehre sie ab. Oder genauer gesagt nerven sie damit, dass zumindest ich kommen soll. Vielleicht könnte ich mir sogar vorstellen, dorthin zu fahren, wenn ich dort in Ruhe gelassen würde, das will ich gar nicht ausschließen. Wenn ich den Sommer über arbeite, könnte ich im Herbst für ein paar Monate hinunterfahren, natürlich nur unter der Voraussetzung, dass die Eltern nicht dort sind. Zumindest nicht die ganze Zeit. Ich werde das mal mit Mama diskutieren, trotz allem haben sie noch ein Haus in Sundsvall, und sie verbringen mindestens das halbe Jahr in Schweden, nein, ich werde diese Möglichkeit nicht ganz verwerfen. Man muss ja nicht die ganze Zeit am Strand liegen, es gibt Granada und Ronda und auch sonst noch alles Mögliche.
Schweinebruder Tomas hat den Bus verkauft, und das war sicher gut so, aber ich glaube, er hat uns mit dem Geld übers Ohr gehauen. Scheiß drauf, wir kommen auch so zurecht. Germund kriegt immer noch sein merkwürdiges Stipendium, und wenn ich mit meinem
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