Einsamen
Besseres.«
Sie lachte. »Du bist ein richtiger Gentleman.«
Da musste er auch lachen. »Ist das so schlimm?«
»Nein. Aber … aber ich bin es gewöhnt, allein zurechtzukommen.«
»Könntest du nicht eine Ausnahme machen?«
Sie zögerte eine Sekunde lang. Dann nickte sie. »Wenn es ganz sicher ist, dass ich dich nicht von etwas Wichtigem abhalte.«
»Das ist sicher.«
»Meine Güte, guck dir das an!« Sie zeigte auf ihren Fuß. »Der ist ja dick wie ein Kinderkopf.«
»Wir werden Eis drauflegen, wenn wir bei dir zu Hause sind. Oder ihn zumindest in kaltem Wasser baden.«
Sie nickte. »Du scheinst ja was davon zu verstehen.«
»Beim Militär lernen wir auch etwas über Krankenpflege.«
»Ihr lernt nicht nur zu töten?«
»Ich werde nie wirklich eine Waffe benutzen.«
»Nein? Und warum bist du dann beim Militär? Wenn du nicht ernsthaft vorhast, Krieg zu spielen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es selbst nicht genau. Es ist eine Erfahrung, die ich mache. Aber ich kann mir nicht vorstellen, jemanden zu töten.«
»Na gut. Dann ist nur zu hoffen, dass du das nicht musst.«
»Mhm.«
Eine Weile saßen sie schweigend da und betrachteten ihren angeschwollenen Fuß.
»Rickard, ich bin dir wirklich dankbar, dass du mir hilfst. Und du wirst mich in Eriksberg auch noch eine Weile schleppen müssen, nur dass du das weißt. Von der Haltestelle bis zu meiner Wohnung sind es mindestens zweihundert Meter.«
»Kein Problem, beim Militär trainieren wir auch körperlich. Ich kann dich tragen, wenn du willst.«
Wieder lachte sie.
Ich mag sie, dachte Rickard Berglund. Und ich habe das Gefühl, dass sie mich nicht total langweilig findet. Dass so etwas so schnell gehen kann.
Hauptsache, dass es nicht ebenso schnell wieder vorbei ist.
Er blieb den ganzen Abend im Glimmervägen in Eriksberg. Anna Jonsson wohnte in einer Einzimmerwohnung mit Balkon, der auf den Stadtwald hinauszeigte. Er half ihr, den Fuß zu kühlen und einen Verband anzulegen. Dann saß sie auf dem Sofa, den Fuß hochgelegt, und dirigierte ihn, während er Tee und warme Toasts machte. Schinken, Käse und Tomaten, nichts Besonderes, es war ein ungewöhnlich warmer Abend für die frühe Jahreszeit, und sie aßen draußen auf dem kleinen Balkon. Es war schon nach elf, als er sie verließ.
Sie dankte ihm für all seine Hilfe und umarmte ihn. Dabei stand sie auf einem Bein in dem engen Flur, und er hatte das Gefühl, dass sie ihn etwas länger festhielt, als notwendig gewesen wäre. So ein paar Sekunden, die alles bedeuten konnten, aber auch gar nichts.
Und er hatte ihre Telefonnummer bekommen und versprochen, am nächsten Abend anzurufen, um sich zu erkundigen, wie es ihr ging.
Ob sie zur Arbeit gegangen war zum Beispiel. Sie arbeitete als Krankenschwesternhelferin im Universitätskrankenhaus, und es erschien eher unwahrscheinlich, dass der Fuß über Nacht so weit wieder hergestellt sein würde, dass sie sich um jede Menge Patienten kümmern könnte. Besser nahm sie selbst Hilfe in Anspruch; sie versprach ihm, dass sie sich an die Notaufnahme am Väster torg wenden würde, sollte es schlimmer werden. Es konnte ja trotz allem etwas mehr als nur eine Verstauchung dahinterstecken.
Er nahm den Weg zurück zu seinem Regiment durch den Stadtwald, und er merkte selbst, wie leicht sein Schritt war. Er war noch ganz erfüllt von dem, was geschehen war, und gleichzeitig war ihm bewusst, dass eigentlich gar nicht viel geschehen war. Nicht wirklich. Aber wenn einer seiner Kameraden auf der Bude ihn ansprechen sollte, wie er den Abend verbracht hatte, konnte er antworten, dass er bei einem Mädchen in Eriksberg gewesen war. Ohne lügen zu müssen.
Er hoffte, dass ihn jemand fragte. Jemand anderes als Helge, der natürlich würde wissen wollen, wie es weitergegangen war.
Sie hatte tatsächlich so einiges von sich selbst erzählt. Im Gegensatz zu den meisten anderen jungen Menschen, die er in Uppsala getroffen hatte, war sie hier in der Stadt geboren. Ihr Elternhaus lag in Salabackar auf der anderen Seite des Tycho Hedéns väg. Sie war neunzehn Jahre alt, war nach dem ersten Jahr auf dem Gymnasium zu Hause ausgezogen, hatte den zweijährigen sozialen Zweig besucht. Arbeitete jetzt schon fast ein Jahr lang im Krankenhaus, plante aber, sich demnächst zur Journalistin ausbilden zu lassen. Bisher hatte sie Artikel für verschiedene linke Zeitschriften geschrieben, das Vietnam-Bulletin, die Clarté und einige andere; es war in erster Linie ein Freund,
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