Einsamen
immer zu sechst. Sie war ja auch Tomas’ Schwester. Tomas und mein Mann waren zusammen beim Militär in Uppsala, da haben sie sich kennengelernt.
ES:Wissen Sie, ob Maria unter Depressionen litt?
AB:Nein, davon weiß ich nichts.
ES:Sie hat nie davon gesprochen, sich das Leben zu nehmen?
AB:Nicht, dass ich wüsste.
ES:Und es gab niemanden in Ihrer Gruppe, der mit ihr Konflikte hatte?
AB:Nein.
ES:Und wenn Sie noch einmal an den Samstagabend denken, da ist nichts passiert, was Sie mit dem Todesfall in Verbindung bringen würden?
AB:Nein, da war absolut nichts.
ES:Haben Sie noch etwas zu sagen, von dem Sie glauben, dass wir es wissen sollten?
AB:Nein, ich habe nichts hinzuzufügen. Ich finde die Situation äußerst unangenehm.
ES:Das bedaure ich. Aber ich bin mir sicher, dass Sie damit fertig werden.
AB:Ist sonst noch etwas?
ES:Im Moment nicht. Aber wir werden wohl noch Gelegenheit haben, ein weiteres Mal miteinander zu reden. Die Vernehmung ist beendet. Es ist 17.22 Uhr.
19
R ickard Berglunds erste Unterkunft in Uppsala nach der Unteroffiziersschule war ein Zimmer zur Untermiete in der Torsgatan in Luthagen. Es war zu Fuß keine zehn Minuten bis zur theologischen Fakultät, und er fand das ideal. Die Vermieterin hieß Angelica Liffermann, sie war achtzig Jahre alt und hatte seit einem Vierteljahrhundert Studenten zur Untermiete, seit sie Witwe geworden war. Sie zog Theologiestudenten vor, hatte es auch mit Geisteswissenschaftlern und Medizinern versucht, aber da war viel gesoffen worden auf den Zimmern. Außerdem zog sie Herren vor, da es vorkam, dass sie Hilfe irgendwelcher praktischen Natur bedurfte, und da war es besser mit einem Mann als mit einer Frau.
Den ganzen Tag über las sie, häkelte oder löste Kreuzworträtsel und trank jeden Abend bei den Fernsehnachrichten zwei Gläser Portwein, und sie hatte eine Katze, die hieß Miller. Das Tier war siebzehn Jahre alt und bewegte sich höchstens zehn Meter am Tag. Manchmal schaffte sie es bis zu ihrer Kiste, manchmal nicht. Es gab auch eine Tochter in Kristianstad; sie hieß Gunvor, und Frau Liffermann rief sie jeden zweiten Tag an, um mit ihr zu schimpfen. Meistens nach dem Portwein, Rickard konnte die Tiraden durch die dünne Wand hören und dachte, dass es eine außergewöhnlich geduldige Frau sein musste, die derartige Mengen an Schimpfkanonaden und Vorwürfen ertragen konnte.
Was ihn betraf, so bekam er nie Vorwürfe zu hören. Er empfing in seinem Zimmer keinen Damenbesuch, und er soff nicht. Zumindest nicht in der Torsgatan. Wenn er Anna traf, dann geschah das immer in Eriksberg oder in einem Lokal.
Sie gingen zum ersten Mal im August zusammen ins Bett. Es war kein besonders geglückter Liebesakt, da sich herausstellte, dass sie alle beide noch Jungfrau waren. Aber die Peinlichkeit ging vorüber, und einen Monat später versuchten sie es erneut mit etwas besserem Resultat.
Es freute Rickard, dass er der Erste für Anna war, genau wie sie es auch für ihn war. Geteilte Peinlichkeit ist halbe Peinlichkeit. Gott sei Dank hat sie diesen FNL-Göran nicht rangelassen, dachte er. So, wie es jetzt war, hatten beide das Gefühl, dass es wirklich ernst zwischen ihnen war. Rickard und Anna. Es war etwas merkwürdig, dass er das bereits nach so kurzer Zeit, nur wenigen Monaten, mit einer derartigen Sicherheit wusste, aber so ist es nun einmal mit der Gewissheit des Herzens. Man weiß es, ohne zu begreifen, wieso man es wissen kann. Ihren ersten richtigen Orgasmus hatte Anna am zweiten Freitag im November, zumindest behauptete sie das. Übung macht den Meister, genau wie es in den Sexualaufklärungsartikeln behauptet wurde, die Rickard ab und zu in strikter Abgeschiedenheit konsultiert hatte.
Es war nach diesem Erlebnis, dem Novemberorgasmus, dass sie zum ersten Mal sagte, sie glaube, dass sie ihn liebe. Er zögerte nicht zu antworten, dass er sie auch liebe. In dieser Nacht bekam er kaum ein Auge zu, und als sie sich am folgenden Abend in der Sibyllegatan befanden und dort Elchgulasch aßen, spürte er, dass sie tatsächlich ein Paar waren. Genauso wie die anderen: Tomas und Gunilla, Germund und Maria, ja, das spürte er bis tief ins Mark hinein.
Eines Tages werden wir heiraten, dachte er.
Wir werden Kinder bekommen.
Anna und ich.
Rickard und Anna. Das klingt schön.
Sie beschlossen, sich Zeit zu lassen. Nicht übereilt zusammenzuziehen. Eine Weile mit der Verlobung und so zu warten. Auch die Vorstellung bei den Eltern hatte keine Eile, aber als
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