Einsatzort Vergangenheit (German Edition)
davon und wir kamen kein Stück
vorwärts. Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, da hörte ich, dass
die Haustür geöffnet wurde und Stimmen in der Halle ertönten. Anscheinend war
Phil nach Hause gekommen, aber er war nicht alleine, neben seiner tiefen Stimme
konnte ich eine weitere männliche Stimme ausmachen. Lange musste ich nicht
warten, um herauszufinden, wen er mitgebracht hatte, denn die Tür öffnete sich
und herein kam Walter Raleigh! Von allen Menschen, die ich erwartet hätte, war
er der Letzte gewesen, mit dem rechnete.
„Sir
Walter, welche Überraschung“, rief ich freudig aus und erhob mich zur Begrüßung
von meinem Stuhl. Und noch viel erfreuter war ich über die Tatsache, dass er
unverletzt schien. Was darauf schließen ließ, dass die beiden nicht gleich mit
Waffen aufeinander losgegangen waren.
„Ich
traf Euren Bruder zufällig bei seinem Ausritt. Zuerst wollte ich ihm ausweichen,
doch er sprach mich an und hat sich für sein Benehmen mir gegenüber
entschuldigt. Wenn man sich ein wenig mit ihm unterhält, stellt man fest, dass
er ein recht angenehmer Zeitgenosse ist. Da es uns zu kalt wurde, hat er mich
zu Euch nach Hause eingeladen. Er meinte, er hätte einen Weinbrand, den ich
unbedingt probieren müsste. Und da ich hoffte Euch wiederzusehen konnte ich
schlecht Nein sagen!“
„Es
freut mich, dass Ihr Eure Differenzen beiseitegelegt habt.“ Und das meinte ich
wirklich, somit hatte ich wenigstens eine Sorge weniger und musste nicht nach
jedem Zusammentreffen mit Raleigh fürchten, dass er von Phil zusammengeschlagen
wurde.
„Euer
Bruder hat von einer sehr interessanten Geschäftsidee gesprochen, von Schiffen,
die nach Amerika reisen sollen, um dort neue Kolonien zu gründen.“
„Er
hat so etwas erwähnt, ich finde die Idee auch faszinierend. Stellt Euch doch
vor, neue protestantische Kolonien in Amerika, frei von Papisten. Wie viele
Menschen dort ihr neues Glück finden könnten.“
„Glaubt
ihr wirklich, dass es uns zum Vorteil gereichen könnte, wenn wir dort Kolonien
gründeten? Die Spanier haben sich dort bereits niedergelassen und man hört,
dass sie unermessliche Reichtümer entdeckten. Von so etwas könnte auch unser
Land profitieren. Vielleicht wäre das etwas für meinen Cousin Francis, der wäre
der richtige Mann für diese Unternehmung.“ Francis Drake war genau der Falsche!
Warum musste er auf einmal so großmütig sein und seinem Cousin das Geld
zuschustern. Er war Kaufmann, da sollte er doch eher daran denken sein Geld zu
mehren, als das Anderer! Es war ja wirklich lobenswert von ihm, dass er nicht
an sich dachte, aber in diesem Moment und für unsere Situation war das ganz
klar die absolut falsche Denkweise.
„Sir,
ohne Eurem Verwandten zu nahe zu treten, aber er erscheint mir augenscheinlich
als der Falsche für diese Unternehmung. Er ist, so hört man bei Hofe, sehr in
die Politik verwickelt und hat auch einen Sitz im Parlament. Wäre es ratsam für
ihn, zu diesem Zeitpunkt eine solche Unternehmung, in Angriff zu nehmen? Es ist
sicherlich kostspielig und zeitaufwendig. Würde ihn das nicht zu sehr von
seinen politischen Geschäften ablenken?“ Warum wollte Raleigh die Gelegenheit
nicht beim Schopfe packen und selbst die Überfahrt finanzieren? Was hielt ihn
davon ab? Das wollte mir einfach nicht einleuchten.
„Macht
Euch keine Gedanken, Francis war schon immer gut darin mehrere Eisen im Feuer
zu haben. Da wird ihn ein weiteres auch nicht ablenken.“ Arrrgh, wie konnte man
nur so begriffsstutzig sein? Meine Geduld war langsam zu Ende und mit meinem
Latein war es schon längst vorbei.
Ein
Geräusch von der Tür ließ mich aufmerken und mein Blick wandte sich in diese
Richtung. Es war Phil, der zu uns stieß, hatte er uns mit Absicht alleine
gelassen? Dann fiel mir ein, dass er gar nicht wissen konnte, dass ich mich
hier aufhielt. Es war wohl wahrscheinlicher, dass es sich in der Zwischenzeit
umgezogen hatte, denn statt Reitkleidung trug er seine üblichen Kleider. Aber
was war denn mit ihm los? Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, sah auch er
völlig übernächtigt aus und nicht mehr wie der Strahlemann, der er
üblicherweise war. Im Gegensatz zu sonst hatte er tiefe, dunkle Ringe unter den
Augen und statt glatt rasiert zu sein, zierte ein Dreitagesbart sein Gesicht,
der ihn bei erneutem Hinsehen sehr gut stand, denn er gab ihm ein
abenteuerliches und verwegenes Aussehen. Hatte er die ganze Nacht wach gelegen
und Pläne geschmiedet, wie er uns
Weitere Kostenlose Bücher