Einsatzort Vergangenheit (German Edition)
saß nun dort fest und ließ sich nur gewaltsam
daraus entfernen.
Einige
Zeit später kam Meg herein. Sie brachte ein Tablett mit Fleisch und Gemüse
sowie einem Krug mit Wein und stellte es auf meiner Frisierkommode ab. Verlegen
blieb sie im Zimmer stehen, ihre Hände nervös ineinander verknotet.
„My
Lady, ich weiß, dass ich das nicht fragen sollte, meine Mum würde mir dafür auf
die Ohren schlagen, wenn sie wüsste, was ich hier mache, weil es sich in ihren
Augen nicht gehört. Aber Ihr seid immer so nett zu mir und etwas scheint Euch
schwer zu bedrücken. Wollt Ihr Euch mir anvertrauen? Kann ich etwas für Euch
tun?“ Erwartungsvoll blickte sie mich mit ihren großen, unschuldigen Babyaugen
an. Wäre sie doch nur Marie, dann würden wir es uns jetzt hier gemütlich
machen, eine Flasche Wein trinken und bis in den Morgengrauen über die
Schlechtigkeit der Männer lamentieren. Nichts wäre mir lieber gewesen, als mich
jemandem anzuvertrauen, aber solange ich nicht in Bedlam landen wollte, war
dies unmöglich und so suchte ich nach einer Ausrede, die Meg nicht vor den Kopf
stieß.
„Kein
Grund zur Beunruhigung, mein Bruder und ich hatten nur eine
Meinungsverschiedenheit wegen Captain Raleigh. Nichts Schlimmes, das kommt
schon wieder in Ordnung. Würdest du mich bitte alleine lassen, ich habe
schreckliche Kopfschmerzen!“ Skeptisch blickte sie mich an. So ganz schien sie
meinen Worten nicht zu glauben, ihr Stand jedoch verbot es ihr, weiter in mich
zu dringen. Sie nickte nur, als hätte sie verstanden und ließ mich
gnädigerweise mit meinem Schicksal alleine.
27.
Kapitel
Erneut
fand ich in dieser Nacht keinen erholsamen Schlaf und erschrak zutiefst, als
ich am nächsten Morgen einen kritischen Blick in den Spiegel warf. Nach nur
zwei Tagen, an denen ich schlecht geschlafen und mir die Augen wegen
Liebeskummer ausgeheult hatte, sah ich so aus? Das Gesicht mit den tiefen,
dunklen Rändern unter den roten Augen, der leichenblassen Haut und den
strähnigen Haaren konnte doch nicht mir gehören. Ich sah zum Fürchten aus. Wie
mochte das dann in der Realität sein, wenn ich schon in diesem Spiegel, der
mein Bild verschwommen und unscharf wiedergab, gelinde gesagt, bescheiden
aussah? Schnelle Abhilfe musste her, so konnte ich mich unter keinen Umständen
unter die Menschen wagen. Damit ich wenigstens nicht mehr so aussah, wie ich
mich fühlte, ließ ich mir schnell ein Bad herrichten, um mich und meine Haare
gründlich zu reinigen. Wegen meines blassen Teints machte ich mir keine Gedanken,
es galt in dieser Zeit mehr als vornehm blass zu sein. Immerhin schmierten sich
die Adeligen bei Hofe teilweise Bleiweiß ins Gesicht, um noch blasser
auszusehen. Auf diese Maßnahme konnte ich getrost verzichten, ich sah auch so
schon aus, als hätte ich mich einer Bleiweißbehandlung unterzogen. Nach meinem
Bad ließ ich mich von Meg anziehen, unterdessen konnten meine Haare trocknen.
„Was
soll ich mit Euren Haaren machen?“, fragte Meg einige Zeit später, während sie
mein getrocknetes Haar sorgsam durchkämmte, damit sie einigermaßen Herrin über
meine Locken werden konnte.
„Was
Einfaches, Flechten und Aufstecken, das muss für heute reichen!“
„Sehr
wohl, wir Ihr wünscht.“ Zwar wollte ich einigermaßen passabel aussehen, aber
darauf, dass sie mir eines ihrer kleinen Kunstwerke zauberte, hatte ich absolut
keine Lust und auch nicht die Geduld. Der Blick in den Spiegel bestätigte mir,
dass ich wieder einigermaßen hergestellt war und so wagte ich mich dann den
Rest des Hauses zu betreten. Was ich machen würde, wenn ich Phil begegnete,
wollte ich mir lieber nicht vorstellen. Vermutlich würde ich mich wieder
umdrehen und in mein Zimmer flüchten, mochte es feige sein, besser als eine
weitere Auseinandersetzung mit ihm war es alle Mal.
Doch
anscheinend hatte ich Glück, denn eine kurze Nachfrage bei einem der Diener
brachte zutage, dass Phil schon am frühen Morgen das Haus verlassen hatte.
Dankbar für die Gnadenfrist begab ich mich in unseren Empfangsraum. Ich nahm
das Buch, welches ich am Vortag gekauft hatte, und ließ mich auf einem der
Stühle nieder, um dort ein wenig zu lesen. Allerdings war ich nicht ganz bei
der Sache, immer wieder schweiften meine Gedanken ab, denn in einer Sache hatte
Phil nicht unrecht gehabt. Wir hatten Mitte Februar, in etwas mehr als einem
Monat sollte die Königin Raleigh die Erlaubnis zur Eroberung der neuen Kolonien
erteilen. Uns rannte buchstäblich die Zeit
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